Schondorf:Volles Programm

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Flüsse sind die einzigen Verkehrsadern in Puerto Leguízamo - was Schondorfs Bürgermeister Alexander Herrmann (vorn) beim Besuch an den Füßen spürte. (Foto: oh)

"Es ist kein Spaß, zu uns zu kommen", scherzt Schondorfs Bürgermeister Alexander Herrmann. Der Besuch aus der kolumbianischen Partnergemeinde bekommt das mit einem prall gefüllten Terminkalender zu spüren

Von Armin Greune, Schondorf

Die Klimapartnerschaft ihrer Gemeinde mit Puerto Leguízamo lässt die Schondorfer nicht kalt. Am Donnerstag fanden sich etwa 40 Bürger zum Informationsabend mit den kolumbianischen Gästen in der Grundschule ein. Sie stellten Fragen zur Abfallbeseitigung, Landwirtschaft und zum geplanten Kakaoprojekt - und lernten dabei ein kreatives Konzept zur Restmüllverwertung kennen.

Zunächst aber fasste Bürgermeister Alexander Herrmann die Aktivitäten der vergangenen Tage zusammen. Die achtköpfige Delegation musste ein beachtliches Pensum bewältigen: "Es ist kein Spaß, zu uns zu kommen", meinte Herrmann trocken. Er hatte schon im April nach seinem Antrittsbesuch in Kolumbien scherzhaft Revanche für das volle Programm dort angekündigt. Am Ammersee besichtigte man nun unter anderem Anlagen zur Energie- und Trinkwasserversorgung, ein Klärwerk und einen Biohof. Am Starnberger See war man bei zwei Betrieben zu Gast, die Flussturbinen beziehungsweise Elektro-Bootsmotoren herstellen: In Leguízamo findet Verkehr fast ausschließlich auf zwei Flüssen statt. Künftig sollen dort klimaschädliche und teuer zu betreibende Dieselaggregate mit Hydro- und Solarenergie ersetzt werden.

Ein weiteres Projekt ist der Kakaoanbau, dazu war die Gruppe bei einer Schokoladenmanufaktur in der Steiermark. Firmenchef Josef Zotter nahm sich persönlich zwei Stunden Zeit für die Delegation, berichtete Herrmann. Er rechnet mit mindestens fünf Jahren, bis die Partnergemeinde Kakao an Zotter liefern könnte. Zunächst müssten genug Bauern vom Anbau überzeugt werden. Bislang seien es etwa 100 Landwirte, die in seiner Gemeinde damit Erfahrungen sammeln, ergänzte Miguel Rubio Bravo, Bürgermeister von Leguízamo. Auch eine Aufzuchtstation für Kakaopflanzen ist bereits angelegt, doch es fehlen noch Erkenntnisse über eine standortgerechte Sortenwahl. Zudem hängt die Qualität des Produkts auch von der richtigen Nachbehandlung der Bohnen ab, sagte Herrmann. Weil Zotter nur fair gehandelten und biologisch angebauten Kakao verarbeitet, müsse man sich um Zertifizierungen bemühen. Wenn alle Bedingungen erfüllt wären, habe Zotter durchaus Interesse mit Leguizamo Geschäfte aufzunehmen, sagte Bravo: Anfangs könnten Lieferungen von 500 bis 3000 Kilogramm verarbeitet werden.

Auf eine Frage hin erläuterten die Bürgermeister, warum Kakaoanbau sinnvoll für Umwelt- und Klimaschutz ist. 60 Prozent der Menschen leben in Leguizamo von der Landwirtschaft, doch es gibt bislang nur zwei Produkte, die sich für den Verkauf eignen: Koka und Rindfleisch. Insbesondere für die Viehhaltung wird Regenwald vernichtet, pro Rind etwa ein Hektar, zudem produzieren die Tiere klimaschädliches Methan. Kakao aber gedeiht im Mischanbau und Schatten hoher Bäume, Kahlflächen müssten dafür wiederaufgeforstet werden.

Herrmann stehen die Gemeinderäte Michael Deininger und Stefanie Windhausen als Übersetzerin und Partnerschafts-Koordinatorin zur Seite. Deininger, Dießener Wassermeister und THW-Experte für die Wasserversorgung nach Katastrophen in der Dritten Welt, befasst sich mit der Trinkwasseraufbereitung in Leguízamo: Dort kommt es aus dem Fluss und muss chemisch aufbereitet werden - eine Alternative könnte die Reinigung mit Uferfiltrat sein. Luz Marina Hurtado ist in Leguízamo für Wasser, Energie und Abfallbeseitigung zuständig: "Bewusstseinsbildung ist oft wichtiger als große Investitionen", sagte sie. Die Mülltrennung sei bei "ihren" 3200 Bürgern bereits gut verankert: Nach Sortierung von Hand werden die Bioabfälle zu Dünger verarbeitet. Aus dem Plastikmüll aber wurden 40 000 Figuren und Motive als Weihnachtsdekoration gebastelt. Dennoch müsse man für Restmüll ständig neue Deponien anlegen, sagte Hurtado.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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