Schondorf:Im Zeichen der Versöhnung

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Die Gemeinde will sich mit einem Jugendaustausch an einem EU-Programm zur Förderung des politischen Engagements beteiligen. Die Anregung dazu kam aus Boves: Mit der italienischen Stadt hat die Kommune am Ammersee ein Freundschaftsabkommen geschlossen

Von Armin Greune, Schondorf

Die Gemeinde will sich mit einem internationalen Jugendaustausch an einem EU-Programm beteiligen, das Geschichtsbewusstsein und politisches Engagement der Bürger Europas fördert. Unter dem Motto "Sich besser kennenlernen, um gemeinsam zu gestalten - gemeinsam gestalten, um sich besser kennenzulernen" sollen Jugendliche aus fünf europäischen Kommunen zusammen ein Buchprojekt realisieren sowie ein Theaterstück schreiben, inszenieren und aufführen. Der Schondorfer Gemeinderat hat in der jüngsten Sitzung einstimmig beschlossen, mit den Partnerkommunen bei der Europäischen Kommission die Teilnahme am Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger" zu beantragen. Die EU finanziert derartige grenzüberschreitende, zivilgesellschaftliche Projekte bis zu 18 Monate lang mit maximal 150 000 Euro.

Entstanden ist die Idee aus einer freundschaftlichen Verbindung heraus, die sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren zwischen Schondorf und der italienischen Stadt Boves entwickelt hat. Die Kommune im Piemont war im Zweiten Weltkrieg Schauplatz eines SS-Massakers. Im Sommer 2013 besuchte eine Delegation der katholischen Kirchengemeinde den Ammersee: Denn auf dem Schondorfer Gemeindefriedhof liegt Joachim Peiper begraben. Er gab als SS-Obersturmbannführer am 19. September 1943 den Befehl für einen Racheakt, bei dem in Boves 350 Häuser niedergebrannt und mehr als 20 Menschen ermordet wurden. Dabei handelte es sich vor allem um Frauen, alte und kranke Menschen; doch auch der Pfarrer, der zuvor als Unterhändler bei einem Geiselaustausch mit Partisanen dienen musste, war darunter.

Als Zeichen der Versöhnung fuhren Vertreter der katholische Kirchengemeinde Schondorf 2014 nach Boves. In der Folge kamen sich auf Initiative von Bürgermeister Maurizio Paoletti auch die politischen Kommunen näher: Im vergangenen April reiste der Rathauschef mit einigen seiner Gemeinderäte auf Einladung seines Schondorfer Kollegens Alexander Herrmann an den Ammersee. Der Gegenbesuch fand zum Jahrestag des Massakers statt: Herrmann, seine Frau Caroline Lauenstein, Vize-Rathauschef Martin Wagner sowie die Gemeinderäte Helga Gall und Kurt Bergmaier nahmen am Gedenkgottesdienst in Boves teil. Bei einer Friedensfeier für alle Opfer des Kriegs wurde ein Freundschaftsabkommen zwischen Boves und Schondorf unterzeichnet. Der nächste Termin für ein Treffen steht bereist fest: Zur Maifeier wird heuer wieder eine italienische Abordnung am Ammersee erwartet.

Die neuen Freunde aus dem Piemont trugen auch die Idee für das künftige interkommunalen Jugendprojekt nach Schondorf weiter. Außerdem wollen sich noch Mauguio in Südfrankreich, Stubicke Toplice in Kroatien und das spanische Lorca beteiligen - diese Kommunen sind bereits über Partnerschaften verbunden oder arbeiten mit der 1984 in Boves gegründeten "Schule des Friedens" zusammen. Auf Schondorfer Seite soll Anke Neudel vom Jugendförderverein Schondorf das Projekt leiten. Herrmann sieht im vernetzten Jugendaustausch eine interessante Alternative zu den herkömmlichen Städtepartnerschaften, die auch im Fünfseenland in die Jahre gekommen sind und oft unter der Überalterung der Aktiven leiden.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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