Schondorfer Festival:Entspannt bis rasant

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Murat Kaydirma und seine Mitmusiker von "The Whiskey Foundation" beleben den Bluesrock und Boogie der Sechziger- und Siebzigerjahre neu. (Foto: Georgine Treybal)

Das "Sammersee" bezaubert mit einer einzigartigen Strandatmosphäre und viel Musik für wenig Geld

Von Armin Greune, Schondorf

Man darf es durchaus als Kompliment auffassen, dass sich The Whiskey Foundation erneut um einen Auftritt beworben haben. Das Quintett, das auf dem "Sammersee" am Freitag bis nach Mitternacht rockt, reißt alte Hasen und junge Hupfer gleichermaßen mit; es könnte auch vor einem zwanzigmal so großen Publikum bestehen und dabei fett Gage kassieren. Stattdessen spielen sie bei einem Benefizfestival, dass weniger als einen Euro Eintritt pro Act verlangt. Die Münchner waren schon 2014 im Strandbad Forster zu Gast, und auch heuer findet Frontmann Murat Kaydirma Sammersee "einfach nur geil".

Es ist aber auch verdammt schwer, von dieser einzigartigen, lockeren Atmosphäre nicht hingerissen zu sein. Am lauen Freitagabend sitzen junge Flüchtlinge aus Afrika und alte Schondorfer an den Tischen des Cafés. Doch den Raum vor den Bühnen und zwischen den originell gestalteten Verkaufsbuden bevölkert vor allem buntes, junges Volk aus dem weiteren Einzugsgebiet des Ammersees. Mit 3000 Besuchern hat die neunte Auflage des Festivals heuer einen neuen Publikumsrekord aufgestellt. Doch der eigentlich begrenzte Raum des Strandbads ist so geschickt genutzt und aufgeteilt, dass nie der Eindruck von Vermassung oder Gedränge entsteht. Auf dem langen Steg sitzen Pärchen und Cliquen, manche warten auf eine Rundfahrt in einer der Eigenkonstruktionen, die man ausleihen kann. Eine aus zwei Surfboards, einem Trampolin und einem Partyzelt zusammengeschraubte Plätte ist ebenso darunter wie zwei auf einem Brett nebeneinander montierte Stühle, vor denen ein mit Pedalen betriebenes Schaufelrad weit weniger zum Antrieb als zur Erfrischung der wagemutigen Seefahrer beiträgt.

Am frühen Abend planschen Kinder und Hunde hinter der im Wasser vertäute n Seebüh ne. Auf der si nge n Grob "Bitte beiß' mich nicht, Bello". Die vier Jungs aus Ludwigshafen präsentieren so etwas wie eine Neo-Neue Deutsche Welle: Mit ihrem gekonnten "Pöbel-Pop" haben Jakob Mayer, Frederic Michel, Philipp Schlotter und Julian Heyden gerade den mit 5000 Euro dotierten "Platzhirsch Awards 2015" der Pop-Akademie Baden-Württemberg gewonnen. Ihre Fans erbetteln noch eine Zugabe, während auf der Hauptbühne scho n Der Jungbrunn loslegt. Dessen deutsche Sprüche sind im Gegensatz zu den Grob-Texten so holprig zusammengereimt, dass man besser nicht so genau zuhört. Doch die zehnköpfige Truppe schafft mit Rap, Hip Hop und Reggae vor allem für die jüngsten Besucher eine grandiose Party. Ruhigere Töne schlagen dann The Nobody Circus mit ein- bis zweistimmigem Gesang, Klarinette und Akkordeon an. Hoffentlich verfolgt die Gruppe den originellen musikalischen Ansatz zwischen Irish Folk, Balkan, Country und Gershwin weiter. Und kann dabei mehr Sicherheit an Mikro und den Instrumenten für Live-Auftritte gewinnen.

Um so reifer und professioneller wirkt der Retro-Sound von The Whiskey Foundation: In ihren Eigenkompositionen klaut die Band geschickt bei Klassikern von Canned Heat, The Doors oder John Mayall. Kaydirmas raue und dennoch melodische Stimme passt wie angegossen zum rasanten Boogie oder schmutzig-erdigen Bluesrock der Gruppe. Und spätestens wenn der Frontmann virtuos die Bluesharp bedient, springt die Begeisterung auch auf den letzten Zuhörer über.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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