Schondorf:Beschwingter Start

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Packende Musik: die Cellistin Fany Kammerlander und der Hornist Christian Loferer bei ihrem Auftritt in Schondorf. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Duo Kammerlander-Loferer eröffnet den Kapellentag mit einer Uraufführung und Werken von Mozart bis Montani

Von Reinhard Palmer, Schondorf

Strahlender Sonnenschein, dazu eine frische Brise - ideale Bedingungen für eine Radtour von Kapelle zu Kapelle um den Ammersee herum. Die 5. Ammerseerenade, eröffnet von ihrer Leiterin Doris M. Pospischil, hätte nicht besser anfangen können. Wer sich für die Nord-Route von Schondorf nach St. Ottilien entschieden hatte und vorsichtshalber schon eine halbe Stunde vor Beginn - es gibt ja nur wenige Plätze - das Pilgerkircherl St. Jakob in Schondorf direkt am See erreichte, musste sich schon anstellen, um noch einen Stehplatz zu ergattern. Zum Glück hatten die Veranstalter damit gerechnet und eine Lautsprecheranlage für die vielen Interessenten auf dem Vorplatz installiert.

Der Ansturm hatte mehrere Gründe. Zum einen gehört das Bauwerk aus Tuffstein von 1149/50 zu den ältesten romanischen Kirchen im Pfaffenwinkel, die zudem weitgehend von späteren Umgestaltungen verschont blieb, mal abgesehen vom barocken Dachreiter mit Zwiebelhaube. Das dicke Gemäuer liefert eine gute Akustik, für die sich die Veranstalter auch eine absolut würdige Bespielung einfallen ließen, die gewiss auch viele Musikinteressierte anlockte. Die vielseitige Violoncellistin (und E-Bassistin) Fany Kammerlander, die schon mit Deep Purple und Peter Gabriel auf der Bühne stand und derzeit mit Konstantin Wecker im Trio tourt, gehört zu den experimentierfreudigsten Musikerinnen hierzulande. Soweit es ihm der Dienst im Bayerischen Staatsorchester erlaubt, ist auch der Hornist Christian Loferer gerne auf Grenzgängen. Und selbst wenn in Schondorf rein klassisches Repertoire auf dem Programm stand, war das in dieser seltenen instrumentalen Kombination auch keine gängige Matinee, zumal Loferer gleich zu Beginn zum Alphorn griff. Dazu musste er sich schon in die Lücke am ländlich-barocken Altar quetschen, um das überlange Instrument spielen zu können.

Das Alphorn passte in seiner Archaik zur Komposition, die in Schondorf zur Uraufführung erklang: "Jakobs Ruf" nannte Loferer sein Werk, das explizit für diesen Auftritt konzipiert und von der Jahreszahl der Fertigstellung von St. Jakob inspiriert war. Die vier Zahlen von 1150 ergaben das Hauptmotiv: Die Eins der Grundton, die zweite Eins eine Oktave darüber, die Fünf die Quint zum Grundton, die Null wurde zum zehnten Ton. Aber so klar blieb die Sache nicht. Immer wieder schlichen sich mikrotonal entgleisende Töne ein, um mit einer Art zweifelnden Hinterfragung Spannung zu erzeugen. Nur noch zwei Boureés aus einer Cellosuite von Bach abwechselnd mit Cello und Horn gespielt blieben solistisch besetzt. Unter den Duobesetzungen fand sich dann allerdings nur eine Originalkomposition - mit der um 1820 komponierten Siciliana von F. Clapisson. Und auch das ist eine Besonderheit des Kapellentages: Nicht nur die Besetzungen schrumpfen auf exotische Konstellationen zusammen. Dementsprechend kommen auch Raritäten zum Zug, die zudem vor allem unter Spaßaspekten ausgesucht wurden. Wer F. Clapisson ist, weiß selbst Google nicht, doch das etwas altertümlich anmutende Stück verzauberte mit einem melodiösen Duett.

Im Kopfsatz der Sonate Nr. 1 von Jean François Gallay wiederum wechselte die vom Fagott transkribierte Cellostimme zwischen Begleitung und Duett-Unterstimme und brachte so reiche Differenzierung. Den anspruchsvollen Höhepunkt der älteren Musikliteratur bildete Mozarts Sonate B-Dur für Fagott und Violoncello KV 292 mit dem Horn im Bläserpart. Diesmal also ein Charakterwechsel vom sprechenden Fagott zum voluminösen Blechsound. Während Kammerlander mit sonorer Spielweise das Klangverhältnis ausglich, bewies Loferer, dass auch das Horn nicht nur geschmeidig und beschwingt singen kann, sondern auch forsch galant (Kopfsatz) und mit tänzerischer Verve daherkommen kann. Ein Zugriff, den die zeitgenössischen Komponisten schätzen. So vor allem der Schweizer (Film-)Komponist Pietro Montani (geboren 1961), der mit seinen "Tanzgeschichten" eine Suite mit lautmalerischen Tänzen kreierte, die zwar wenig mit der heutigen Neuen Musik am Hut haben, aber dennoch frech begeisterten.

Der Freudentanz erwies sich als eine Prokofjew-Imitation zwischen Scherzo-Pfiffigkeit und geschmeidiger Melodik. Ähnlich auch im abschließenden skurrilen Koboldtanz, der allerdings mit einem unterlegten Groove noch mehr Kraft entwickelte. Zeitgenosse im Programm war auch der Engländer Alastair Stout (geboren 1975), der in seinem "Landscape" aus "Four Nocturnes" die beiden Stimmen gegeneinander versetzte, wobei das Echo stets auch eine Variation der führenden Stimme entgegensetzte. Mit melancholisch jauchzenden Motiven beginnend wurde die Ausdifferenzierung immer stärker und intensiver. Durchweg also packende Stücke, die den Radfahrern viel Kraft auf den Weg mitgaben und eine reiche Ausbeute für die sportlichen Kulturwanderer versprachen.

© SZ vom 26.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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