Schlösser im Landkreis:Der kopflose Reiter

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Schloss Garatshausen hat eine bewegte Geschichte. Zuerst gehörte es den Wittelsbachern, jetzt macht Fürstin Gloria dort Sommerurlaub. Und im Park erholen sich die Bewohner des Altenheims

Von Otto Fritscher, Garatshausen

Es sind wilde und schreckliche Zeiten, die Jahre von 1618 bis 1648, der Dreißigjährige Krieg, in dem die Schweden von Dorf zu Dorf ziehen, brandschatzen und plündern. Auch am kleinen Dorf Garatshausen geht der Krieg nicht spurlos vorbei. Mitte des 16. Jahrhunderts, also einige Jahrzehnte zuvor, hat Caspar Weiler dort ein Schloss errichten lassen, das einer Burg ähnelt, mit vier Türmen, Ringmauern, einer Zugbrücke und einem Wassergraben. Es ist einer seiner Nachfahren, die im Schloss hausen, als die Schweden vor dem Tor stehen und die Übergabe der Burg fordern. Die Antwort ist ein höhnisches Gelächter des Schlossvogts. Die Schweden fackeln nicht, erobern Schloss Garatshausen im Handstreich und schlagen dem Schlossvogt kurzerhand den Kopf ab. Seitdem ist der Schlossvogt in mondhellen Nächten als Geisterreiter unterwegs, kopflos dreht er im Schlosspark und bisweilen sogar auf dem See seine Runden, gar schauerlich.

Es ist Willi Eisele, der solche Geschichten zu erzählen weiß, auch wenn sie nicht immer ganz genau historisch abgesichert sind. Aber dass die Weilers die ersten Schlossherren in Garatshausen waren, dass die Schweden kamen, dass Sisi zwei Sommer im Schloss verbracht hat, das ist gesichert und in diversen Chroniken nachzulesen. Doch davon später mehr.

Willi Eisele hat nämlich eine ganz spezielle Beziehung zum Schloss Garatshausen, und auch zu dem immer noch das viertürmige Gemäuer umgebenden Schlosspark. Sein Vater und sein Großvater waren in Diensten derer von und zu Thurn und Taxis, in deren Besitz sich das Schloss, Teile des Parks und auch einige umgebende Ländereien seit 1888 befinden. Der Vater arbeitete vor allem im Taxisschen Stammsitz in Regensburg, wurde aber in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch mal zur Goldenen Hochzeit des Fürstenehepaars nach Regensburg geholt.

Schon der Urgroßvater von Willi Eisele hatte in Schloss Garatshausen eine Anstellung gefunden, um nicht zu sagen eine Lebensstellung. Als junger Mann kam er aus dem "Siebziger-Krieg" zurück, wie Eisele den Krieg nennt, den Deutschland 1870/71 mit Frankreich führte. Er bewarb sich bei König Franz II. von Neapel und Königin Marie von Neapel, die in Garatshausen Zuflucht vor den Wirren der italienischen Revolution gesucht hatten, die ein gewisser Garibaldi angezettelt hatte. Eisele bekam die Anstellung, wurde persönlicher Diener der Hoheiten, und war auf vielen Reisen und Empfängen des ehemaligen Herrscherpaares dabei. Die Arbeitsbedingungen in fürstlichen Diensten seien "immer anständig" gewesen, hätten seine Vorfahren berichtet, sagt Eisele. Sein Urgroßvater bezog drei Renten: vom König, vom Fürsten und aus dem Krieg der Deutschen mit Frankreich, was ein auskömmliches Leben ermöglichte.

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(Foto: Arlet Ulfers)

In Schloss Garatshausen haben drei Generationen der Familie Eisele Dienst getan.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Willi Eisele war Ministrant der Schlosskapelle.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Franz Eisele sen. (links) nahm 1950 an der Diamantenen Hochzeit von Fürst Albert und Fürstin Helene teil.

Das Königspaar aus Neapel landete übrigens in Garatshausen, weil Marie als eine Tochter des Herzogs von Max in Bayern, bekannt als Zither-Maxl, in Schloss Possenhofen geboren worden war. Daher kannte sie die Schlösser am Starnberger See noch aus ihrer Kindheit.

Überhaupt der Zither-Maxl. Er war es, der die Schlösser Possenhofen und Garatshausen im Jahr 1834 in den Besitz der Wittelsbacher brachte. Vorher hatte Schloss Garatshausen eine wechselhafte Geschichte. Gebaut von den Weilers Mitte des 16. Jahrhunderts, danach kamen die Freiherren von Schrenck, und dann ein Tutzinger Graf Viereck, "der seine Gattin im Schloss hat sitzen lassen. Daraufhin hat sie sich in einem Turm erschossen", berichtet Willi Eisele. Die Vierecks verkauften Garatshausen, die Laroussés kamen ins Spiel, vermögende Reichsgrafen in München mit einem eigenen Regiment, die dann in Garatshausen die vormals abgerissene Schlosskapelle wieder aufbauten - "mit einem für damalige Zeiten modernen Schlagwerk", wie Eisele sagt. An der Stelle der Kapelle befindet sich nun eine Aussichtsplattform, die an schönen Tagen einen prächtigen Ausblick auf den See und die Gebirgskette ermöglicht. Etwas weiter südlich im Park steht ein Badesteg, den nicht nur die Altenheimbewohner - davon später mehr - , sondern auch die Garatshauser gerne nutzen. Die neue Schlosskapelle befindet sich im Verbindungsbau zwischen altem und neuen Schloss.

Viele Kinder und Enkel, viel Platz also, der im Schoss gebraucht wurde. Deshalb arrondierten die Fürsten etliche Grundstücke, der Park wuchs, es gab eine eigene Schlossmühle, die das Schloss dann auch mit Elektrizität versorgte, und zwischen 1850 und 1870 sogar eine eigene Dampferanlegestelle. Der Schlossmüller war zugleich Stegwart, der Schlossverwalter wohnte in der heutigen Albers-Villa. Der Schauspieler und Sänger erwarb diese im Jahr 1934, als die von Thurn-und Taxis etliche Grundstücke veräußerten, etwa an den Rennfahrer Ernst Henne. Der größte Deal, wie man heute sagen würde, fand Anfang der fünfziger Jahre statt, als große Teile des Schlossparks vom Landkreis Starnberg gekauft wurden, der dann dort ein Alten- und Pflegeheim errichtete. Das ist bis heute in Betrieb, oftmals erweitert und modernisiert, zuletzt um ein Gebäude für "Betreutes Wohnen".

Im Park sind heute Skulpturen verschiedener Künstler ausgestellt. Bänke laden unter uralten Bäumen zum Verweilen ein, aber der Park ist bei weitem nicht mehr so prachtvoll wie in seiner Blütezeit. "Die Herrschaften von Thurn und Taxis haben immer großen Wert auf eine schöne Gestaltung des Schlossparks gelegt." Blumenrabatten waren zu Schmetterlingen arrangiert, auch das fürstliche Wappen aus Blumen und Blüten war eine Zierde des Parks. "Die hatten immer sehr viele Gärtner angestellt", weiß Eisele. Damit ist es vorbei. Nicht, dass der Park, der zum Altenheim gehört, ungepflegt wäre, im Gegenteil. Aber prachtvoll, das ist er auch nicht mehr. Dann gibt es noch in nördlicher Richtung einen eingezäunten Park, der zum fürstlichen Schloss selbst gehört, und wie dieses nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Darin befinden sich etwa ein Tennisplatz und eine Bootshütte, "was man halt so hat", sagt Eisele.

Skulpturen schmücken heute den Schlosspark. (Foto: Arlet Ulfers)

Auch er, der Geschichts- und Geschichtenerzähler, inzwischen 73 Jahre alt, hat eine persönliche Beziehung zum Schloss. "Ich war früher Ministrant in der Schlosskapelle, aber weniger für die Fürsten, als für die Garatshauser Bürger", erinnert sich Eisele, auf dessen Betreiben auch die Marienkapelle an der Garatshauser Hauptstraße gebaut und vor einem Jahr feierlich geweiht werden konnte. Der Garatshauser Kulturverein hatte Fürstin Gloria angeschrieben und um eine Spende gebeten.

Von fürstlichem Glanz ist in Garatshausen jetzt nur noch wenig zu spüren. Ausnahme war die Hochzeit von Glorias Tochter im September letzten Jahres, als im Park ein rauschendes Fest gefeiert wurde. Wenn Fürstin Gloria da ist, weht die Fahne auf dem Schlossdach. "Das ist seit langer Zeit das Zeichen, dass die Herrschaften in Garatshausen sind", sagt Willi Eisele. Ansonsten, und es klingt ein bisschen traurig, "wird Garatshausen heute ja nur noch mit dem Alten- und Pflegeheim in Verbindung gebracht."

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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