Regionaler Handel:Miraculix vom Ammersee

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Claudia und Bernt Müller betreiben in Riederau eine Brühenmanufaktur. In einem riesigen Kessel kochen sie Suppen wie zu Omas Zeiten auf dem Holzherd. Die Gläser sind ein Hit im regionalen Lebensmittelhandel

Von Otto Fritscher, Riederau

Nun ja, als Zaubertrank möchte Bernt Müller das Gebräu nicht bezeichnen, das in dem riesigen Kessel vor sich hinköchelt. Aber eine kräftigende Wirkung würde Müller seiner Brühe durchaus zusprechen. "Wir machen das wie zu Uromas Zeiten vor 100 Jahren, als auf dem Herd immer eine Kraftbrühe köchelte." Allerlei Gemüse schwimmt in der Brühe, aber auch Knochen sind in der simmernden Flüssigkeit zu erkennen. Es dampft, es brodelt.

Müller rührt in dem Kupferkessel immer wieder mal um. Er hat den Tiegel bei einem Tiroler Handwerker speziell anfertigen lassen; er hat ein Fassungsvermögen von 170 Litern und hängt an einer schweren Eisenkette, die wiederum an einer Vorrichtung an der Decke befestigt ist. Müller trägt aus hygienischen Gründen eine Haube über den Haaren. "Das sind die Hygienevorschriften", sagt er.

Denn schließlich kocht der Riederauer hier nicht zu seinem Privatvergnügen, sondern er produziert - wenn auch erst mal in vergleichsweise kleinem Maßstab - Kraftbrühen, die in den Supermärkten und Bioläden am Ammersee-Westufer sowie in einem Bioladen in der Münchner Au zu finden sind. Wenn die Suppenküche jeden Tag in Betrieb ist, kann Müller rund 800 Gläser mit Hühner-, Gemüse- oder Rinderkraftbrühe köcheln. "Die erste Charge war sofort ausverkauft", sagt er. Und er hat mit seiner Frau Claudia zusammen noch große Pläne mit der kürzlich gegründeten "Brühenmanufaktur Ammersee", doch davon später mehr.

Den Kupferkessel haben Bernt und Claudia Müller eigens in Tirol fertigen lassen. In dem Tiegel köchelt die Gemüsebrühe vor sich hin, viele Stunden lang. Für die Hitze sorgt ein mit Buchenholz befeuerter Wamsler-Herd. (Foto: Georgine Treybal)

Der Suppenkessel steht im Keller ihres ganz neu gebauten Hauses, die Müllers sind noch gar nicht richtig eingezogen. Doch schon von vorneherein haben sie eine professionelle Suppenküche eingeplant. Dabei sind allerlei hygienische und lebensmittelrechtliche Vorschriften zu beachten, weshalb Müller bereits frühzeitig die Gemeinde Dießen und die Lebensmittelüberwachung im Landsberger Landratsamt kontaktiert hatte. Doch allen Planungen zum Trotz verzögerte sich das Bauvorhaben, und die Müllers zogen kurzerhand in einen Wohnwagen, den sie auf ihrem Grundstück aufstellten. Dazu bauten sie eine provisorische Kochstelle. "Was isst man als Camper", fragt Bernt Müller ironisch. "Man grillt jeden Tag. Doch das hatte ich irgendwann so satt, dass ich mir auf einem Kessel über dem Feuer eine Suppenbrühe gekocht habe. Dabei bin ich dann geblieben." Daraus entstand die Idee, eine Brühenmanufaktur zu gründen.

Ein Jahr dauerte die Probe- und Experimentierphase, gekocht wurde für Freunde und Bekannte, aber auch auf einigen Weihnachtsmärkten boten die Müllers ihre Brühen als Alternative zum Glühwein an. Mit Erfolg, so dass sie die behördlich genehmigte Küche am Waldrand einrichten konnten, mit erheblichem finanziellen Aufwand. "In der Gewinnzone sind wir noch nicht", sagt Bernt Müller, der 30 Jahre lang im IT-Bereich gearbeitet und speziell Warenwirtschaftssysteme entwickelt hat. "Immer nur vor dem PC, das ging nicht mehr, ich habe mir eine Zeitlang Ruhe gegönnt, und dann war klar, dass ich mit meiner Frau die Brühenmanufaktur etablieren will. Die Leidenschaft fürs Kochen haben wir schon immer", sagt Bernt Müller.

Mitarbeiter Daniel schnippelt derweil stundenlang Gemüse. (Foto: Georgine Treybal)

Claudia Müller, eigentlich Diplom-Kauffrau, beschäftigt sich seit 15 Jahren mit gesunder Ernährung, beide Müllers sind Anhänger der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), nach deren Fünf-Elemente-Lehre die Brühen gekocht werden. Das Wasser für die Brühen wird durch Umkehr-Osmose gefiltert. Dann werden die Knochen, falls es eine Rinder- oder Hühnerkraftbrühe werden soll, erst mal kurz ausgekocht, dann die Flüssigkeit weggekippt und die Brühe neu aufgesetzt. 20 Kilo Knochen und 60, 70 Kilo Gemüse werden für eine Ladung verwendet, die Zutaten kauft Müller bei lokalen Händlern ein. Das Gemüse hat alles Bio-Qualität. Fürs Schnippeln der Gemüsemenge haben die Müllers einen Mitarbeiter eingestellt. "Das würden wir selbst nicht mehr schaffen", sagt Claudia Müller. Wenn Lauch, Möhren und viele andere Sorten fein geschnitten sind, wandern sie in den Kessel, der Wamsler-Herd darunter wird mit Buchenholz befeuert. "Drei Stunden dauert es, bis der Inhalt kocht", sagt Bernt Müller. Doch das ist erst der Anfang, "denn eine Kraftbrühe verdient nur dann ihren Namen, wenn sie mindestens acht bis 15 Stunden köchelt", sagt Müller. Manchmal sind es aber auch noch mehr. Zwei Mal steht Bernt Müller in der Nacht auf, um im Ofen Holz nachzulegen.

Die lange Kochzeit bewirkt nach der chinesischen Heilkunde, dass den Zutaten, Nährstoffe, Spurenelemente und Mineralstoffe entzogen werden. Die im Gemüse beinhaltete Energie verbleibt in der Brühe, daher die althergebrachte Bezeichnung "Kraftbrühe". Im Sortiment hat die Manufaktur momentan zwei Gemüsebrühen, eine mit Ginseng gewürzt, die andere mit Ingwer, zwei Hühnerbrühen, wahlweise mit Chili oder Astragalus-Wurzel, sowie eine Knochenbrühe vom Rind. Abgefüllt werden die Brühen in Gläser mit 385 Milliliter Inhalt, ein Glas kostet 5,90 Euro.

Alles selbst gemacht: Sogar die Etiketten für die Gläser hat Bernt Müller selbst entwickelt. Fünf verschiedene Brühen hat die Suppenküche mittlerweile im Programm. (Foto: Georgine Treybal)

Man kann die Brühe pur zu sich nehmen oder auch als Grundlage für Suppen oder Gerichte wie Risotto der Hühnerfrikassee verwenden. Ende Oktober haben die Müllers ihre Brühen auf der "Eat&Style" in München, dem größten deutschen Food-Festival, mit Erfolg präsentiert. Bernt Müller hat Expansionspläne im Kopf, die mit einem zweiten Kessel beginnen. "Zur Not, baue ich aber auch ein neues Haus, wenn die Küche zu klein wird." Er meint es ernst.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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