Reden wir über:"Jemand, der ohne Zeitdruck zuhört"

Lesezeit: 2 min

Caroline Krug bietet in Tutzing eine Sprechstunde für Soziales und Senioren an

Interview von Manuela Warkocz, Tutzing

Caroline Krug sieht in Tutzing im sozialen Bereich einiges im Argen. Die ÖDP-Gemeinderätin und Kreisrätin hat sich daher im Gemeinderat zur ehrenamtlichen Referentin für Soziales, Senioren und Wohnungsvergabe wählen lassen. In dieser Funktion bietet die 61-jährige gelernte Bankkauffrau und Witwe des verstorbenen Bürgermeisters Rudi Krug nun ihre erste Sprechstunde für Soziales und Senioren in Tutzing an.

SZ: Frau Krug, braucht es in Tutzing, wo sich nicht nur der thailändische König gern aufhält, sondern auch viele andere sehr vermögende Leute leben, wirklich eine Sozialsprechstunde?

Caroline Krug: In Tutzing gibt es viele wohlhabende Menschen, aber leider auch andere. Das erlebe ich immer wieder, zum Beispiel bei meiner Arbeit für die Tafel, unser "Tutzinger Tischlein Deck Dich". Ich habe vor eineinhalb Jahren die Leitung übernommen. Jede Woche sehe ich, dass es Menschen gibt, die auch in Tutzing echte Not haben.

Wie viele Menschen versorgen Sie mit der örtlichen Tafel?

Jeden Freitag kommen 35 bis 40 Gäste zu uns. Mit Angehörigen dürften das so um die 100 bis 120 Leute sein, die uns brauchen. Es geht aber nicht nur um das Materielle. Bei der Ambulanten Krankenpflege betreue ich drei ältere Damen. Viele Alleinstehende spüren große Einsamkeit, gerade jetzt mit Corona. Das tut mir richtig weh, zumal unser beliebter Ökumenischer Seniorenclub im Roncallihaus jetzt auch wegen Corona ausfallen muss. Oft wünschen sich die Menschen nur jemanden, der ohne Zeitdruck zuhört.

Sie wollen Ihnen mit der Sprechstunde Zeit zum Reden schenken?

Genau. Das ist eine Möglichkeit, um Sorgen und Probleme zu erzählen für alle, die sich sonst eher zurückziehen und nicht so bemerkbar machen können. Ich will auch konkret Angebote weitergeben, etwa den neuen telefonischen Besuchsdienst "Offenes Ohr" von KoBe (Koordinierungszentrum für Bürgerschaftliches Engagement im Landkreis Starnberg, Anm. d. Red.). Man kann sich dort melden und wird dann zurückgerufen, wenn man sich einfach mal unterhalten möchte. So können Telefonfreundschaften entstehen.

Als Sie die Sprechstunde angekündigt haben, kamen rechtliche Bedenken aus dem Gemeinderat, dass Sie sich womöglich in der komplizierten Sozialgesetzgebung verheddern.

Ich kann natürlich keinem was verbindlich zusagen, zum Beispiel eine Wohnung. Mein Ziel ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, in enger Rücksprache mit dem Sozialamt im Rathaus, der Ambulanten Krankenpflege und den örtlichen Kirchen. Dass man in unserer Kleiderstube und im Trödelladen günstig einkaufen kann oder dass es viele Angebote im Landkreis gibt, die helfen, wie der Kinderschutzbund, der Sozialpsychiatrische Dienst oder der Verein "Frauen helfen Frauen".

Und wenn keiner zu Ihrer Sprechstunde kommt - ist das dann ein gutes Zeichen?

Dann ist es vielleicht eher ein Zeichen, dass sich die Leute nicht trauen. Ich hoffe, ich kann Vertrauen wecken, so wie das meinem Mann gelungen ist.

Die erste Sprechstunde für Soziales und Senioren bietet Caroline Krug diesen Mittwoch, 30. September, von 17 bis 18 Uhr im Büro der Ambulanten Krankenpflege Tutzing, Bräuhausstraße 3, an. Um vorherige kurze Anmeldung unter 08158/904646 wird gebeten, um Wartezeiten zu verhindern.

© SZ vom 30.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: