"Quatuor Ebène" im Bosco:Ertastet, geformt, erfühlt

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Der Erfolg ist den jungen Musiker aus Frankreich nicht zu Kopf gestiegen: Das Quatuor Ebène begeisterte im Bosco das Publikum des Klassikforums. (Foto: Georgine Treybal)

Unbeschwerte Spielfreude ist dem französischen Streichquartett nicht genug. Es muss schon Euphorie aufblühen. Das Publikum des Klassikforums im Bosco lässt sich erstmals zu Standing Ovations hinreißen

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das Quatuor Ebène ist seit vielen Jahren schon Garant für volle Säle, weil ebenso für einzigartige Musikerlebnisse. Und dass die Anziehungskraft auch beim elften Besuch des französischen Spitzenstreichquartetts im Gautinger bosco ungebrochen blieb, ist gewiss gleich mehreren Faktoren zu verdanken. Dem Sympathiebonus etwa, auch dem charismatischen Auftreten des Ensembles, zudem gewiss der Natürlichkeit, mit der die vier jungen Musiker über ihren internationalen Erfolg hinwegsehen, um sich jedes Mal aufs Neue um die Gunst des Publikums zu bemühen.

Der zentrale Aspekt blieb aber die absolute Hingabe, mit der das Quatuor Ebène jedem noch so scheinbar nebensächlichen Ton schenkte. Jedes Detail wurde in höchster Konzentration kostbar ertastet, geformt, erfühlt. Einer solch tiefen Versenkung kann man sich als Zuhörer nicht entziehen, zumal die Arbeit der Instrumentalisten mit einer Selbstverständlichkeit in der Fortentwicklung der Musik aufging, als wäre es der einzig gangbare Weg.

Trotz all der spieltechnischen und interpretatorischen Meisterschaft des Ensembles war "Ainsi La Nuit" aus den Jahren 1976/77 von Henri Dutilleux gewiss auch für das Quatuor Ebène eine Herausforderung besonderer Art. Einerseits verlangt das siebensätzige, mysteriös verschattete Werk höchste technische Gewandtheit in geradezu allen bis heute gängigen Spielweisen, aber auch ein extrem präzises, diszipliniertes und absolut homogenes Zusammenspiel im Ensemble. Es war daher schon ein besonderes Ereignis, dieses extrem komplexe Ineinandergreifen der einzelnen Musiker, andererseits das Funktionieren des Ensembles als ein einziger, dynamischer Organismus in einer solch atemberaubenden Perfektion zu erleben. Nur so kann aus dem wilden Durcheinander im Partiturbild schlüssige, ausdrucksstarke Musik werden. Und sie fesselte vom ersten bis zum letzten Ton, zumal das Werk dieses großen Meisters des 20. Jahrhunderts dem Ensemble Möglichkeiten an die Hand gab, ein einzigartiges Spektrum an klangfarblichen Qualitäten zu demonstrieren, das teils im klassischen Repertoire kaum anwendbar ist.

Auch bei Beethoven verstanden es die vier Streicher, überaus sinnliche Klangerlebnisse zu kreieren. Vor allem im späteren Es-Dur-Streichquartett op. 127, beginnend mit dem substanzvollen Maestoso in mächtigen Akkorden. Dort auch ganz besonders im Adagio, dem für die Spätzeit des Komponisten nicht ungewöhnlichen seelentief ergründenden Variationssatz.

Sinnlichen Charakter tragen aber beim Quatuor Ebène selbst leichte und vergnügte Sätze, die sich im Normalfall mit unbeschwerter Spielfreude begnügen. Diesem Ensemble ist dies nicht genug. Die Euphorie des Kopfsatzes von op. 18/6 musste schon aufblühen, das Scherzo darin in seiner spritzigen Rhythmisierung eine Geschichte erzählen. Das Scherzo des op. 127 mit seinen unentwegt neuen Motiven stellte aber auch eine breite Skala an Möglichkeiten feinsten klanglichen und charakterlichen Changierens, die das Ensemble mit viel Fingerspritzengefühl aufgriff.

Die rasante Finale-Stretta setzte dann im Grunde einen definitiven Schlusspunkt. Doch im 200. Konzert des Klassikforums im bosco war das Ensemble bereit, eine Zugabe zu wagen. Und lieferte aus dem Streichquartett op. 130 eine zutiefst berührende Cavatina von nahezu sakraler Innigkeit.

Standing Ovations - die ersten im Klassikforum überhaupt - blieben denn auch nicht aus.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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