PWG:Seit 60 Jahren an der Macht

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In Pöcking stellt die Parteilose Wählergruppe (PWG) seit sechs Jahrzehnten den Bürgermeister. Wie schaffte sie das?

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Im Jahr 1960 ist die PWG Pöcking gegründet und bei den Kommunalwahlen sofort zur stärksten politischen Kraft gewählt worden. Seither stellen die Parteifreien ununterbrochen den Bürgermeister. Grund genug, zum 60-jährigen Bestehen der Frage nachzugehen, wie die Gruppierung es schaffte, jahrzehntelang die politische Führungsrolle im Ort zu behalten. Das lasse sich durch die Lebenseinstellung und Kraft der jeweiligen Bürgermeister begründen, ist Peter Wiedemann überzeugt. Der ehemalige Gemeinderat und Ortsvorsitzende Wiedemann hat zusammen mit Florian Grünbeck eine PWG-Chronik erstellt, die auf der Jubiläumsfeier am Sonntag im Beccult gezeigt werden sollte. Die Feier musste coronabedingt nun schon zum zweiten Mal abgesagt werden.

In den Anfängen der PWG wurden Wiedemann zufolge nicht Parteien, sondern Köpfe gewählt. Der langjährige PWG-Chef Albert Luppart bezeichnet sie als "Machertypen" und Wiedemann als "Allein-Bestimmer", die nach heutigem Demokratieverständnis Schiffbruch erleiden würden. Nach seinen Angaben wurde der erste PWG-Bürgermeister Josef Grenzebach gewählt, weil er Landwirt war und sich für die Bauern im Dorf einsetzen wollte. Als die Gebietsreform kam und die Gemeinden Pöcking und Feldafing zusammengelegt werden sollten, funktionierte Grenzebach kurz entschlossen Ackerland zu Bauland um, was die Einwohnerzahl um mehr als 1000 Bürger hochschnellen ließ. Dadurch blieb Pöcking selbstständig. Ein derartiger Alleingang, der damals bei den Pöckingern gut ankam und den später auch Altbürgermeister Konrad Krabler zuweilen noch praktizierte, wäre heute nicht mehr möglich, sind sich Luppart und Wiedemann sicher. Laut Luppart hatte Krabler umsichtige Grundstückspolitik betrieben. Er hatte beispielsweise durch Grundstückstausch dafür gesorgt, dass das Seeufer für die Öffentlichkeit erhalten blieb, als das Schloss Possenhofen in Eigentumswohnungen umgewandelt wurde. Zudem hatte der damalige Rathauschef einen zahlungskräftigen Gewerbesteuerzahler in den Ort geholt und ihn dadurch zur reichsten Gemeinde im Landkreis gemacht. Die früheren Bürgermeister saßen jeweils vier Amtszeiten auf dem Rathaussessel. Das könnte der heutige PWG-Bürgermeister Rainer Schnitzler noch toppen, falls er zur nächsten Kommunalwahl erneut antritt. "Die Pöckinger hatten ein unglaubliches Grundvertrauen in diese Persönlichkeiten, das nie enttäuscht wurde", glaubt Luppart, obwohl es immer wieder Rückschläge gab und die PWG oft Glück gehabt habe.

In den 70-er Jahren beispielsweise wirbelte ein PWG-Wahlplakat, das die Ortsteile mit den jeweiligen katholischen Kirchen anführte, Staub auf. Der evangelische Pfarrer empörte sich damals über den "Konfessionskrieg". Ein anderes PWG-Wahlplakat sorgte für Ärger, weil darauf das Pöckinger Wappen prangte. Eine Krise in der PWG löste der so genannte Kirchenwegstreit im Jahr 2013 aus. Laut Wiedemann spaltete er die Gruppierung und die Gräben zogen sich bis in die Familien hinein. Auch bei den Wahlen 1972 musste die PWG stark kämpfen, als sie mit der PFW und der ÜWG gegen zwei weitere parteifreie Wählergruppen antreten musste. Ebenfalls knapp fiel die Wahl 1983 aus. PWG-Kandidat Krabler konnte nur gegen den damals sehr populären SPD-Kandidaten gewinnen, weil erstmals ein FDP-Kandidat angetreten war, der viele Stimmen von den anderen Parteien abzog. Heute kann sich die PWG laut Luppart nicht mehr allein auf ihre Politikerpersönlichkeiten verlassen. Als Grund gibt Luppart an, dass jedes Jahr etwa 500 Bürger Pöcking verlassen oder nach Pöcking ziehen. "Die Neubürger kennen uns nicht."

© SZ vom 15.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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