Pultdach:Haus mit Signalwirkung

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Das Holz verkleidete Plus-Energiehaus soll mit seiner Fotovoltaikanlage auf dem Pultdach noch drei Haushalte mit Energie versorgen können. Simulation: Gottfried Herz (Foto: N/A)

Tutzing muss über ein Plus-Energiegebäude entscheiden

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Marco Lorenz möchte am Grubenweg in Tutzing ein Plus-Energiehaus errichten - ein Haus, das selbst mehr Energie generiert als es verbraucht. Möglich machen sollen das Wärme speichernde Betondecken, eine perfekte Dämmung, dazu die lange, nach Süden ausgerichtete Fensterfront und vor allem eine große Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Maschinenbauer Lorenz rechnet mit einem Ertrag von 34 000 Kilowattstunden im Jahr. Das würde - bei Eigenverbrauch von 13 000 Kilowattstunden für das vorgesehene Gewerbe im Haus und für Elektroautos - für etwa drei zusätzliche Haushalte reichen. Allerdings nur, wenn er mit einem Pultdach die größtmögliche Fläche nutzen könnte.

Dieser Wunsch bringt die Gemeinde jedoch in Zwiespalt. Denn ein Pultdach für das geplante Wohn- und Geschäftshaus würde in dem Mischgebiet westlich der Hauptstraße einen Präzedenzfall schaffen. Dort existieren - bis auf einen Getränkemarkt - nur Satteldächer. Auch Lorenz hatte mit dem Tutzinger Architekten Gottfried Herz zunächst ein Satteldach geplant. Nun aber reichte er einen Tekturantrag ein, denn mit Pultdach ließe sich die Voltaikfläche um 25 Prozent auf 200 Quadratmeter erhöhen. "Architektonisch ergibt sich durch die Änderung ein schlichteres und zeitloseres Bild, die Außenmaße des Gebäudes sowie die Firsthöhe haben sich nicht verändert", betont der Bauwerber. Die Mitglieder des Bau- und Ortsgestaltungsausschusses sahen sich am Dienstag vor eine grundlegende Entscheidung in dem Gebiet gestellt, für das es noch keinen gültigen Bebauungsplan gibt und in dem Neubauprojekte daher danach beurteilt werden, ob sie sich in die Umgebungsbebauung einfügen. "Es geht um eine Signalwirkung", hob Stefan Feldhütter (FW) hervor. Der Landkreis habe die Energiewendevereinbarung unterschrieben. Sie besagt, dass die Region sich bis 2035 vollständig aus erneuerbaren Energien versorgt. Das beantragte Haus sei nun eines der wenigen, das ausschließlich auf Sonnenenergie setze. "Es wäre befremdlich, wenn wir dem die Rote Karte zeigen", findet der Gemeinderat. Auch von der CSU trat mit Thomas Parstorfer ein Befürworter zukunftsweisenden Bauens auf den Plan: "Wir müssen doch froh sein, wenn einer autark baut." Ganz andere Töne schlug Baureferent Wolfgang Marchner (Bürger für Tutzing) an. Ein einziges Haus ändere nichts an der Gesamtbilanz, gab er zu bedenken. Und verwahrte sich dagegen, "dass Ökobau zum Religionsersatz wird". Der Bauausschuss sei dazu da, den Charakter des Orts zu erhalten. Mit lauter Pult- und Flachdächern fühlten sich die Leute nicht mehr wohl. Hin- und hergerissen zeigte sich Ortsplaner Professor Florian Burgstaller im Hinblick auf die städtebauliche Entwicklung. Es sei schon sinnvoll, Dächer zu nutzen. Das Haus zeige auch eine gewisse "Sensibilität". Allerdings müsse man sich fragen, ob man künftig womöglich lauter Pultdächer bekommen wolle. Bürgermeisterin Marlene Greinwald (FW) erkennt ein Thema von grundlegender Tragweite: Wie lassen sich Energiewende und Ortsbild vereinen? Darüber soll der Gemeinderat diskutieren, die Entscheidung wurde vertagt.

Bauwerber Lorenz, gebürtiger Innsbrucker und seit 20 Jahren in Tutzing ansässig, hofft auf Zustimmung für sein Haus, "das für ganz Tutzing eine Visitenkarte sein könnte".

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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