Pöcking:Mozart trifft Webber

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Mit den Aufgaben gewachsen: Sänger und Instrumentalisten bei der Aufführung in der Kirche St. Pius in Pöcking. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Chorgemeinschaft St. Pius, der Knabenchor Pöcking, Ottobrunner Sänger und Instrumentalisten unter Leitung von Norbert Groh geben mit den Requien der zwei Komponisten ein Kontrastprogramm

Von Reinhard Palmer, Pöcking

Was Mozarts und Andrew Lloyd Webbers Requiem voneinander unterscheidet, ist vor allem die andersgeartete Emotionalität. Mozarts Blick auf den Tod ist von Gottesfurcht geprägt und von seelentiefer Ergebenheit erfüllt. Webbers Requiem macht indes die Aufgewühltheit aus, ein unentwegtes Changieren zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Versöhnung und Schmerz, intimen Empfindungen und monumentalem Pathos. Ein Kontrastprogramm, für das Webber den textlichen Requiem-Kanon bausteinmäßig neu zusammenstellte, um die Gefühlswogen klar herauszustellen.

Für die Ausführenden in der bestens gefüllten Pöckinger Sankt-Pius-Kirche ging es auf der formalen Seite aber auch darum, die klassischen und die zeitgenössischen Ausdrucksmotive jeweils treffend in ihrer musikalischen Rhetorik zu erfassen, ohne dabei den dramaturgischen Faden zu verlieren. Norbert Groh am Pult mutete der Chorgemeinschaft St. Pius Pöcking, dem Ars-Musica-Chor Ottobrunn, dem Pöckinger Knabenchor sowie dem Kammerorchester Stringendo eine enorme Flexibilität und ein breites musikalisches Spektrum zu. Und die Ensembles waren zweifelsohne an und mit den Aufgaben gewachsen.

Die beiden Werke miteinander zu vergleichen, ist schon deshalb schwierig, weil Mozart sein Requiem nicht vollenden konnte. Groh reduzierte denn auch die Aufführung auf die für Mozart gesicherten Teile, bis zu Lacrimosa also. Das letzte Wort hatte bekanntlich der Tod selbst, der Mozart vor der Vollendung des Requiems dahinraffte. Webbers Werk - zum Gedenken an seinen verstorbenen Vater - konnte indes seinen gesamten Spannungsbogen ziehen, der auf enorme Wirkungen aufbaut und den Sängern und Instrumentalisten Qualitäten abverlangt, die nicht jeder Amateurchor und auch nicht jedes Orchester unbedingt beherrscht. Doch Groh ist es gelungen, den großen Apparat zum Grooven, Swingen und rhythmischen Pointieren zu bringen. Das galt im Grunde auch im begrenzten Maße schon für Mozart, setzte Groh doch auf den energischen, kraftvollen Zugriff bis hin zur dunklen Dramatik. Die Poesie der Chorsätze, vor allem der Solistenarien, blieb dennoch erhalten, kehrte aber aus der so häufigen vergeistigten Entrückung ins sinnliche Diesseits zurück. Die Südkoreanerin Jaewon Yun (Sopran), Luise Höcker (Alt), der Kubaner Bryan Lopez Gonzalez (Tenor) und Nikolai Ardey (Bass) erwiesen sich nicht unbedingt als ausgesprochene Oratoriensänger, dafür aber als Ensemblesänger mit eigenem, ausgeprägten Charakter, warm in der Färbung und vor allem substanzvoll. Die Wahl des Solistenensembles war zweifelsohne in Abstimmung mit Webbers symphonischer Gestaltung getroffen, tat aber auch Mozart gut.

Webber setzt einerseits lediglich auf einen Sopran- und Tenor-Solistenpart, baut andererseits aber die Möglichkeiten klanglicher Mixturen mit den Knabenstimmen und einem erweiterten Orchester imposant aus. Vor allem durch das Percussion-Instrumentarium, ferner durch Bläser, Orgel und Synthesizer. Dieses große Aufgebot sollte denn auch immer wieder für gewaltige Höhepunkte sorgen, die Groh bis zum ohrenbetäubenden Volumen auftürmte, von Yun und Lopez Gonzalez ins Ekstatische katapultiert.

Die beiden Gesangssolisten hatten gewaltige Höhen zu erklimmen, die sie nicht nur technisch eindrucksvoll bewältigten, sondern selbst in den höchsten Lagen noch prächtig koloriert formten. Den Chören fiel übers monumentale Volumen hinaus immer wieder die Aufgabe zu, Atmosphäre zu schaffen und einfühlsam warme Chorsätze bis ins Pianissimo hinab zu modellieren. Nicht immer gelang es, die Präzision und Klarheit zu halten, die in den scharf rhythmisieren lauten Passagen leichter von den Lippen ging. Doch die klangschöne Balance im sorgsam austarierten Mix mit dem sicheren Orchester bescherte betörende Momente von inniger Ergriffenheit. Lang anhaltender, begeisterter Applaus.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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