Pöcking:Jesu Windel und Jungfrauen im Jenseits

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Rückblick auf das Jahr 2015 mit Spott und scharfer Zunge: der Kabarettist Holger Paetz in der Galerie Ammann. (Foto: Arlet Ulfers)

In seinem zuweilen zynischen Jahresrückblick schont Holger Paetz weder Gott noch die Bayern

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

- Im Dezember sind Jahresrückblicke für Kabarettisten ein gefundenes Fressen. Da lässt es sich so richtig ablästern - denn hinterher weiß man ja immer alles besser. Holger Paetz läuft dabei zu wahrer Hochform auf: Respektlos und unbarmherzig, schonungslos und zuweilen auch zynisch zog der wortgewaltige Kabarettist aus München am Sonntag in der proppenvollen Galerie Ammann in Pöcking Bilanz über 2015.

Bei Paetz kommt automatisch jede Menge an Themen zusammen, die es zu kommentieren gilt. Denn er bietet das ganze Jahr über Monatsrückblicke im Valentin-Musäum in München an. Und damit es für ihn selbst nicht zu langweilig wird - er hatte gerade erst am Vorabend einen Auftritt in Passau - blättert der komplett schwarz gekleidete Kabarettist in seiner roten Mappe und entscheidet ganz nach momentaner Lust und Laune, was er seinen Zuschauern vorsetzen will. Dabei erinnert Paetz an so manche Details, die der Normalbürger bei der Fülle der Nachrichten entweder gleich überlesen oder aber längst schon wieder vergessen hat.

So mokiert er sich etwa darüber, dass dem griechischen Staat jährlich 15 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung entgehen. "Schon Aristoteles hat gesagt, dem Geld darf man nicht nachlaufen, man muss ihm entgegengehen". Und nach einer Kunstpause fügt er hinzu: "Aristoteles Onassis." Hauptthema sind aber die Terroranschläge in Paris und die Flüchtlingsfrage. Paetz stellt fest, dass das Jahr mit "Charlie Hebdo" anfing und mit einem Attentat im gleichen Viertel endete: "Gott hat einen relativ fiesen Humor", findet er. Nicht umsonst reime sich Gott auf Spott.

Paetz ist stets um Gerechtigkeit bemüht, deshalb sorgt er immer für Ausgleich. Wenn er den Islam auf die Schippe nimmt, folgt bald auch der christliche Glauben. Mit wahrem Galgenhumor erklärt er, dass im Namen Gottes nicht getötet werden dürfe. Der Koran indes sehe das anders, aber die Bibel auch. Und keiner übernehme die Verantwortung dafür, dass aus der Mitte der Gläubigen Killer hervorgehen. So mokiert sich Paetz darüber, dass muslimische Selbstmord-Attentäter angeblich im Jenseits mit 72 Jungfrauen belohnt werden sollen. Anschließend echauffiert er sich über die Windel Jesu, die in Aachen ausgestellt ist.

Angela Merkel, "eine Emotionsbombe voller Vitalität" hat es Paetz auch angetan, immer wieder kommt er auf sie und ihr "wir schaffen das" zurück. Sie habe mit dem Herzen entschieden, weil der Verstand gerade im Urlaub gewesen sei. "Hat sie einen Plan? Die Kanzlerin hat einen Anzug an, das muss genügen." Die Bundesregierung handle immer, wie es die Lage erfordere - und wenn nicht, dann habe es sich Lage selbst zuzuschreiben. Paetz lästert über Weihnachtsgeschenke und die jährliche Jagd nach einem Christbaum, der leider nie gerade steht; über die Ansagen in der Bahn, Sepp Blatter, den VW-Skandal oder seinen Drucker, der sich immer dann reinigt, wenn er ihn gerade braucht.

Auch die Bayern und ihre Toleranz ("willkommen - wer will kommen") nimmt er aufs Korn. Oder das Bemühen um eine politisch korrekte Ausdrucksweise, wenn etwa Zigeuner Jazz in Gipsy Jazz umbenannt wird. Es sei doch blöd, dass jeder Begriff in kurzer Zeit negativ besetzt werden könne. So werde der "Asylant" zum "Flüchtling": "Durch das Wort wird er wahrscheinlich nicht beleidigt, weil er es nicht versteht". Ja, so kennt man den talentierten Herrn Paetz: Egal ob er Gedichte schreibt oder ein nachdenkliches Lied singt - immer sind seine ebenso tiefsinnigen wie messerscharfen Analysen durchsetzt mit schwarzem Humor.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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