Pöcking:"Ich bin kein Held, nur neugierig"

Lesezeit: 3 min

Der Pöckinger Meeresbiologe Hans Fricke hat mehr als 1000 Tauchfahrten mit Mini-U-Booten unternommen. Auch dem Starnberger See ist er auf den Grund gegangen. Nun kommt sein erstes U-Boot ins Deutsche Museum

interview Von Otto Fritscher, Pöcking

Hans Fricke sitzt in seinem Büro in Tutzing und sortiert Akten, Fotos und Unterlagen. Auf dem Regal liegt eine Sammlung von Gerätschaften, die offenbar der Unterwasser-Fotografie dienen. Fricke ist ja auch Meeresbiologe, bekannt geworden 1987 mit der Entdeckung des Quastenflossers im Indischen Ozean. Nun sortiert er sein Material, beinahe ist man versucht zu sagen: sein Lebenswerk, denn er überantwortet es dem Deutschen Museum in München. Wo am Mittwoch auch die Geo ankam, sein erstes U-Boot, mit dem er 787 Tauchfahrten unternommen hat, wie im Logbuch präzise vermerkt ist.

SZ: Herr Fricke, Sie sind ja auch oft im Starnberger See auf Tauchfahrt gegangen. Wie ist es denn da unten?

Hans Fricke: Das Wasser ist auch in mehr als 100 Metern Tiefe erstaunlich klar. Wir konnten mit den Scheinwerfern 20, 30 Meter weit schauen. Der Boden erinnert an gelblichen Käsekuchen, das rührt von Bakterien in der Schlammschicht her. Sogar Fische gibt es in dieser Tiefe, das hat uns überrascht. Eigentlich waren wir auf der Suche nach einer gekenterten Yacht, die wir nach mehrwöchiger Suche auch gefunden haben.

Wie oft waren Sie denn in Ihrem Leben unter Wasser?

Das kann ich gar nicht genau sagen. Aber es sind bestimmt mehr als 10 000 Tauchgänge mit Pressluftgeräten, und dann mehr als 1000 Fahrten mit meinen beiden U-Booten Geo und Jago . Mit der Geo konnten wir bis 200 Meter in die Tiefe gehen, mit der Jago sogar bis 400 Meter. Ursprünglich wollte ich die Unterseite von Korallenriffs erforschen, aber auch in die Seen im Voralpenland abtauchen und die Lebensformen dort erkunden. Das haben wir dann ja auch jahrzehntelang getan.

Gab es während Ihrer U-Boot-Karriere auch gefährliche Situationen?

Nun ja, ein paar Mal war es schon brenzlig. Etwa im Roten Meer, als es bei einem Tauchgang in 198 Metern Tiefe auf einmal einen Riesenknall gab. Ich hab' sofort auf die Schweißnähte und den Pilotendom der Geo geschaut, aber da war alles in Ordnung. Wir sind mit affenartiger Geschwindigkeit nach oben geschossen und sogar ein Stück über die Wasseroberfläche hinaus katapultiert worden. Was war passiert? Unten am U-Boot hatten wir einen Tiefenbegrenzer, ein Gewicht und ein Paket Sprengstoff. Das Gewicht wäre automatisch abgesprengt worden, wenn wir eine voreingestellte Tiefe überschritten hätten und nicht regelmäßig alle 45 Sekunden auf einen bestimmten Knopf im U-Boot gedrückt hätten. Eine sogenannte Dead-man-Schaltung. Wie auch immer, wir hatten die Situation im Griff. Als wir oben waren, habe ich die Luke aufgemacht und gebetet.

Hatten Sie niemals Angst?

Nein, so etwas dürfen Sie nicht zulassen. Voraussetzung für Tauchfahrten ist, dass man absolutes Vertrauen in sein Gerät haben muss - so wie Astronauten im All. Und man muss das Gerät auch beherrschen.

Wie sind Sie zur Taucherei gekommen?

Als Junge hab' ich mit sieben Jahren ein Buch vom berühmten Meeresforscher Hans Hass gelesen. Und da war klar, dass ich auch tauchen will. Bei meinem ersten Tauchversuch mit einer Gasmaske in der Alten Elbe bei Magdeburg wäre ich beinahe ersoffen. Dann habe ich mir meinen ersten Tauchanzug selbst zusammengeklebt. Mit elf Jahren habe ich die ersten Unterwasserfotos gemacht. Auf dem allerersten ist überhaupt nichts zu erkennen, es war der Kopf meines Freundes. Und in jungen Jahren haben wir natürlich schon verrückte Sachen gemacht. Etwa unter der Eiskante getaucht, was mir die erste graue Locke verschafft hat. Mit einem Pressluftgerät bin ich mal auf 92 Meter runtergegangen. Eigentlich auch total verrückt.

Wie kamen Sie an Ihr erstes U-Boot?

Ich hab' Anfang der Achtziger schon für die Zeitschrift Geo Unterwasser-Reportagen gemacht, und ich wollte einfach tiefer runter. Und der damalige Chefredakteur hat mir 130 000 Mark bewilligt. Eine Summe, die ich einfach so ins Blaue genannt hatte. Ich hatte doch keine Ahnung, was ein U-Boot kostet. Dann hab' ich einige Leuten, die angeblich U-Boote verkaufen wollten oder bauen konnten, getroffen - Hasardeure, sag' ich Ihnen. Dann bin ich auf zwei tschechische Ingenieure gestoßen, die in der Schweiz ein U-Boot gebaut hatten. Denen vertraute ich, wir kamen ins Geschäft. Sie haben das U-Boot in einer Hinterhof-Werkstatt in der Nähe von Zürich gebaut. 1981 haben wir dann mit der Geo die ersten Erprobungen im Bodensee gemacht, sind auf 253 Meter runtergegangen. So fing das an. Bis 1989 haben ich mit der Geo dann 767 Tauchfahrten gemacht. Unter anderem den Quastenflosser entdeckt. Dann habe ich die Jago bauen lassen, mit der ich doppelt so tief tauchen konnte, bis 400 Meter. Sie ist heute noch im Dienst, gehört zur deutschen Forschungsflotte. Insgesamt habe ich mehr als 200 Wissenschaftler aus der ganzen Welt auf Tauchfahrten mitgenommen, aber auch Paul Allen, den Microsoft-Gründer und Milliardär. Und für das Fernsehen habe ich fast 30 Filme, jeweils 45 Minuten lang, gedreht.

Was treibt Sie zu neuen Entdeckungsreisen unter Wasser an? Sensationslust?

Ich bin kein Held, sondern nur immer neugierig geblieben.

Am Donnerstag, 28. Januar, 19 Uhr, hält Hans Fricke in der Pöckinger Gemeindebücherei einen Multimediavortrag mit dem Thema "Ozeane, Meere, Seen - ein Forscherleben unter Wasser"

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: