Pöcking:Fülle des Wohlklangs

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Betörend: Uta Schlichtig und Hiyoli Togawa (von links) beim Eröffnungskonzert der Musiktage Starnberg. (Foto: Nila Thiel)

Rudens Turku und seine renommierten Bühnenpartner spielen zum Auftakt der 16. Starnberger Musiktage ein jugendlich übermütiges Sextett und das späte Klarinettenquintett von Johannes Brahms

Von Reinhard Palmer, Pöcking

Wie trostlos wäre Brahms' Abschied aus dem Musikleben gewesen, hätte er nicht den begnadeten Klarinettisten Richard Mühlfeld kennengelernt. Im Grunde wäre es gar kein Lebewohl gewesen, fehlte doch ein Schlusswort, weil dem 58-jährigen Komponisten die Inspiration abhandengekommen war. Und dann war sie plötzlich wieder da und bescherte der Nachwelt unter anderem das Klarinettenquintett h-Moll op. 115, diesen wehmütigen "Abschied von der schönen Welt", wie es der Brahms-Biograph Max Kalbeck formulierte. Geiger Rudens Turku kehrte die Geschichte um und machte den Abschied zur Begrüßung im Eröffnungskonzert der 16. Starnberger Musiktage in der Orangerie des Niederpöckinger Hotels La Villa. Chronologisch vorzugehen und das fulminante Sextett B-Dur op. 18 voranzustellen, hätte eine verkehrte Konzertdramaturgie ergeben. Zumal ja der düster-dramatische Schluss des Klarinettenquintetts das Publikum in gedämpfter Stimmung nach Hause geschickt hätte.

Doch dieses späte Werk ist auch keine Trauermusik, die nicht zum Auftakt getaugt hätte. Zumal die renommierten Musiker mit mächtigem Klang und mit Verve für Furore zu sorgen, sofern dies Brahmsscher Stilistik entsprach. Galt es, sich zurückzunehmen, so geschah auch das extrem bis in die zartesten Klangspuren. Der Klangraum, der durch diese starken Kontraste aufging, war imposant, er sprengte geradezu den intimen Rahmen der Orangerie. Andererseits hatten die glühende Leidenschaft und die Fülle des Wohlklangs auch etwas Berauschendes an sich.

Was im euphorischen Streichsextett noch wirkungsvoller ausfallen sollte, galt es ja nun, den Jugenderlebnissen im Zentrum rheinischen Frohsinns nachzuhängen. Die kraftvollen Bilder dazu verlangten ein nuanciertes Vorgehen, tragen doch alle vier Sätze eigenwillige Charaktere, die einer markanten Dramaturgie folgen sollten: Der Kopfsatz suchte die Balance zwischen blühend kolorierter Melodik und spielfreudigem Schöpfen aus dem Vollen. Dem Andante verliehen Rudens Turku und Lorenz Chen an den Violinen, Hariolf Schlichtig und Hiyoli Togawa an den Violen sowie Jan Hendrik Rübel und Uta Schlichtig an den Celli eine geradezu betäubende Substanzfülle, die sich mit musikantischer Wucht noch steigern sollte. Überraschend der galant-vergnügte Beginn des Schlusssatzes. Im Nachhinein aber verständlich, ging es doch um den Ausgangspunkt einer weiten Entwicklung, die das Sextett auf emotionalen Wogen hochzuschaukeln verstand.

Dieser wirkungsorientierte Zugriff mutete dem ernsteren und minuziös durchdachten Klarinettenquintett eine Gratwanderung zu. Doch Johannes Gmeinder an der Klarinette verzauberte mit sensibelster Melodik, Turku antwortete mit betörend empfindsamem Violinklang. Ein mitreißender Kammermusikabend, der die Ovationen auf alle Fälle verdient hat. Das Konzert wird an diesem Mittwoch, 20 Uhr, im Hotel La Villa wiederholt.

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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