Pöcking:Deutsch in Bildern

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Rainer Strobl will (von rechts) den jungen Männern aus Somalia, Deekow, Sharif und Ahmed so schnell wie möglich Deutsch lernen. (Foto: Arlet Ulfers)

Pensionierte Lehrer unterrichten in Pöcking Asylbewerber an fünf Tagen die Woche

"Wenn ich krank bin, muss ich zum Doktor gehen. Dafür brauche ich einen Termin." Ahmed bemüht sich, den Satz klar und deutlich auszusprechen. Es klappt schon ganz gut. Heute wird im Deutschunterricht für Asylbewerber in der ehemaligen Sozialstation in Pöcking das Thema "Wenn ich krank bin" durchgenommen. Und drei junge Männer aus Somalia sind konzentriert bei der Sache. Jeder zückt sein Handy und spielt mit dem Lehrer Rainer Strobl ein Telefonat mit einer Arztpraxis durch. Der ehemalige Rektor der Grundschule ist einer von sechs pensionierten Lehrern, die sich ehrenamtlich engagieren, damit die Asylbewerber in Pöcking jeweils von Montag bis Freitag Unterricht bekommen. Strobl will den Flüchtlingen nicht nur Deutsch beibringen. Ziel sei auch die Leute zu unterstützen, damit sie sich in dem für sie vollkommen fremden Alltagsleben zurechtfinden. Strobl hat Arbeitsblätter erstellt mit Bildern und einfachen Texten. Tabletten sind darauf zu sehen, das Bild einer Salbentube und ein stilisiertes rotes A für Apotheke. Daneben stehen Dialoge, die notwendig sind, um einen Arzttermin zu bekommen oder ein Rezept einzulösen. Es sei ein Unterricht, wie in der ersten Klasse einer Grundschule, wenn die Kinder noch nicht lesen könnten, erklärt der ehemalige Lehrer. Jeden Tag wird ein neues Thema durchgenommen, damit sich die jungen Männer nicht langweilen. Der Unterricht ist übrigens freiwillig. Heute sind drei von insgesamt sechs Schülern anwesend. Im Zimmer nebenan werden Familien aus Albanien und Afghanistan unterrichtet. Das ist eine Aufgabe, die von den fünf pensionierten Lehrern alleine nicht mehr zu stemmen ist. Es werden noch dringend ehrenamtliche Helfer gesucht, die die Lehrer in der Klasse unterstützen können.

Strobl ist froh, dass seine Schüler alle dieselbe Muttersprache sprechen. Denn manche von ihnen waren noch nie in einer Schule, so dass der Unterricht kompliziert wird, wenn sich Themen nicht mit Bildern erklären lassen. Wie soll man einem Schüler beispielsweise die Uhrzeiten beibringen, wenn er die Zahlen nicht lesen kann? In solchen Fällen verlässt sich Strobl ganz auf Deekow. Der 19-Jährige spricht etwas Englisch und kann für seine Landsleute übersetzen, wenn diese Schwierigkeiten haben dem Unterricht zu folgen. Deekow ist klug und Strobl ist überzeugt davon, dass er gute Aussichten hat, in Deutschland eine Ausbildung zu bekommen. Der Somalier hat schon eine feste Zusage für einen Platz in der Berufsschule. Dort soll laut Strobl eine eigene Klasse für erwachsene Flüchtlinge eingerichtet werden, mit dem Ziel innerhalb von zwei Jahren einen Schulabschluss zu erwerben. Voraussetzung ist, dass die Bewerber Deutsch können und die Grundrechenarten beherrschen. Strobl gibt seinem Schützling Deekow deshalb zusätzlich Einzelunterricht in Mathematik.

Die stellvertretende Bürgermeisterin Ameli Erhard engagiert sich ebenfalls als Helferin. Wie sie berichtet, ist es der Leiterin der Pöckinger Sozialstation, Anke Klostermeier zu verdanken, dass die Asylbewerber diesen Unterricht bekommen. Als die Flüchtlinge am 7. Mai ankamen, hatte Klostermeier alle pensionierten Lehrer angerufen, die sie in Pöcking kannte, und das Projekt innerhalb weniger Tage auf den Weg gebracht. Unterstützung bekam sie von der Gemeinde, die die Räume zur Verfügung stellte, sowie von der Grundschule und den ehrenamtlichen Helfern, die Unterrichtsmaterial, wie etwa eine Tafel oder einen Tageslichtprojektor spendeten. "Vielleicht gelingt es, die Motivation, die vielfach vorhanden ist, zu nutzen und weiterzuentwickeln", hofft Erhard.

© SZ vom 27.08.2015 / sbh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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