Pöcking/Berg:Das große Händeschütteln

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Während in Pöcking mit dem Bau einer Zeltunterkunft für 128 Asylbewerber begonnen wird, geht es auf der anderen Seeseite in Berg bereits darum, die neuen Nachbarn kennenzulernen

Von Sylvia Böhm-Haimerlund katja Sebald, Pöcking/Berg

Nach Tutzing und Berg sollen nun auch in Pöcking Zelte für Asylbewerber aufgestellt werden. Mit dem Aufbau auf dem Areal am Sportpark, auf dem das Haus der Bürger und Vereine geplant ist, soll schon am heutigen Montag begonnen werden. Mit Unterstützung der Bundeswehr und der Freiwilligen Feuerwehr sollen die Zelte bis zum 21. Oktober stehen. Dann können dort 128 Asylbewerber einziehen. Das ist weit mehr, als die Gemeinde nach dem Verteilungsschlüssel aufnehmen müsste, stellte Landrat Roth auf der Informationsveranstaltung am Freitag fest. Mit Blick auf das geplante Haus der Bürger und Vereine versprach er, dass die Unterkunft aber schon in einem Jahr wieder abgebaut werden soll. Wie sehr das Thema den Bürgern unter den Nägeln brennt, zeigte der große Andrang. Die Turnhalle war übervoll, manche der rund 350 Besucher mussten mit Stehplätzen vorlieb nehmen.

Nach Angaben von Bürgermeister Rainer Schnitzler sind in Pöcking derzeit 45 Asylbewerber untergebracht. Die Hilfsbereitschaft ist groß in der Gemeinde. Laut Schnitzler melden sich fast täglich Bürger im Rathaus, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. "Wir wollen, dass es bei uns gut abläuft, dass es friedlich abläuft. Davon profitieren alle", sagte er unter dem Beifall der Besucher. Nach Angaben von Frank Brosch von der Polizeiinspektion Starnberg ist es personell zwar nicht möglich, die Anlagen zu überwachen, dennoch gebe es im Landkreis "nur vereinzelt" Probleme mit Flüchtlingen. Zudem stehen laut Roth in jeder Zeltunterkunft ein 24-Stunden-Sicherheitsdienst zur Verfügung. Es wurde beispielsweise vorgeschlagen, die Flüchtlinge in Hotels oder in der Jugendherberge Possenhofen unterzubringen, an statt in Zelten.

Während in Pöcking der Bau der Zeltanlage startet, geht es in Berg bereits darum, die neuen Nachbarn kennenzulernen. Gut zwanzig Berger waren am Freitag ins Katharina-von-Bora-Haus gekommen, Iradj Teymurian vom Asylhelferkreis hatte dort ein erstes Treffen zwischen den Bewohnern der Zeltstadt am Ortseingang und den unmittelbar benachbarten Anwohnern im Huberfeld organisiert. Auch Bergs Bürgermeister Rupert Monn und der evangelische Pfarrer Johannes Habdank als Hausherr waren bei dem Treffen mit den ersten 28 Asylsuchenden, die vergangene Woche in Berg angekommen sind, dabei.

Die erste schwierige Übung hatten die Neuankömmlinge, von denen 26 aus Pakistan, einer aus der Ukraine und einer aus Syrien kommen, gleich zu Beginn zu bewältigen: Teymurian hatte sie angewiesen, jedem Anwesenden zu Begrüßung die Hand zu geben, selbstverständlich auch den Frauen. Das wäre in ihrer Heimat undenkbar, gestand einer der jungen Pakistaner später im Gespräch. Aber auch das Gespräch gestaltete sich zunächst nicht ganz einfach: Wo anfangen? Mit wem? In welcher Sprache? Und worüber soll man dann sprechen? Der Deutschunterricht, der ebenfalls vom mittlerweile auf über fünfzig Personen angewachsenen Helferkreis organisiert wird, beginnt erst in der kommenden Woche. So behalf man sich einstweilen mit Englisch, das einige der Pakistaner sprechen. Bis jetzt sind nur Männer in den Zelten untergebracht, der jüngste von ihnen ist gerade 18 Jahre alt, der älteste hat eine Frau und vier Kinder in seiner Heimat zurückgelassen. Der junge Mann aus Syrien ist seiner Frau nachgereist, die bereits vor einigen Monaten zu ihrer Schwester nach Starnberg gekommen ist. Er trifft sie jeden Tag und hofft, dass er bald ganz zu ihr ziehen darf.

Als das Eis erst einmal gebrochen war, erzählten die Pakistaner von der Heimat, die sie verlassen wollten, weil sie vom Terrorismus gebeutelt ist und man überall auf den Straßen Angst vor Selbstmordattentätern haben muss. Jeder hat Freunde und Verwandte durch Anschläge verloren, es gibt kein sicheres Leben dort. Einige der Männer waren bis zu einem Jahr unterwegs, um nach Deutschland zu gelangen: "Germany is a good country", betonten sie immer wieder. Die Unterbringung in den Zelten stellt kein Problem für sie dar, Hauptsache, sie können bleiben, sie dürfen die Sprache lernen und möglichst bald arbeiten. In den Zelten haben sie die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen und zu kochen, allerdings mussten sie bereits feststellen, dass der "Bazar" in Berg recht teuer ist. Ihr größtes Problem ist es momentan, dass sie im Zeltlager keinen Handyempfang und vor allem kein Internet haben. So ist es sehr schwierig für sie, mit ihren Familien in Kontakt zu bleiben. Teymurian versucht deshalb im Moment alles, um eine entsprechende Telefonleitung legen zu lassen. Während die Anwohner sich im Moment vor allem durch die nächtliche Flutlichtbeleuchtung gestört fühlen, scheint diese für die Zeltbewohner kein Problem darzustellen. "Wenn ich nachts in die Küche gehe, muss ich kein Licht anmachen", sagte eine Nachbarin aus dem Huberfeld - in den Zelten selbst aber ist es nachts offensichtlich dunkel.

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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