Ortsplanung:Ein Dorf im Dorf

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Wenn die Bundeswehr aus Feldafing abzieht, will die Gemeinde das Kasernenareal kaufen und dort Wohnungen, Fuß- und Radwege bauen, das Archiv und ein Museum unterbringen. 150 Bürger interessieren sich für die Pläne und haben Anregungen

Von Otto Fritscher, Feldafing

Sind die Biergarten-Garnituren samt Sonnenschirmen und der Kiosk, an dem es Brezn, Bier und Limo gibt, für ein Sommerfest des benachbarten Kinderhauses aufgebaut?, fragt sich so mancher Feldafinger am Dienstagabend. Doch der Aufwand auf dem Vorplatz des Rathauses gilt allein den Besuchern der abendlichen Versammlung. Die Feldafinger sollen sich erfrischen können, falls ihnen nach insgesamt vier Gesprächsrunden im Rahmen der Bürgerbeteiligung zum Thema Kasernen-Konversion die Köpfe rauchen.

Schon um 18 Uhr kommen die ersten, um sich an den vielen Stelltafeln im Saal einen Überblick über den Stand der Planung zu holen. Eine Stunde später drängeln sich etwa 150 Besucher im Bürgersaal. Und dann kommt die geballte Ladung Information: Ein knappes Dutzend Experten - Architekten, Stadtplaner, Bund Naturschutz, Rechtsanwälte und Verkehrsfachleute - hat Bürgermeister Bernhard Sontheim zu diversen Aspekten der Konversion aufgeboten; BR-Moderatorin Christine Rose aus Wörthsee leitet die Gespräche.

Zunächst wartet Sontheim mit der "Nachricht des Jahrhunderts" auf: Der Bund habe zugestimmt, dass die Gemeinde das 310 000 Quadratmeter große Kasernenareal nach Abzug der Bundeswehr Ende 2020 kaufen könne. Nur der Kaufpreis ist offen, er muss erst noch verhandelt werden. Und die Gemeinde muss das nötige Geld - mit Sicherheit eine Millionensumme - auf der hohen Kante haben. Sontheim malt den Besuchern schon aus, was passiert, wenn die Gemeinde nicht zum Zug kommt, sondern der Meistbietende: "Ein Investor kocht uns doch einfach ein. Ein solcher hat keinerlei Interesse an bezahlbarem Wohnraum."

Neue Wohnformen sollen nämlich auf dem Areal, das in etwa so groß wie 45 Fußballfelder ist, geschaffen werden: Einfamilienhäuser, die nicht aussehen wie herkömmliche Einfamilienhäuser mit Vorgarten, sondern lange Riegel mit weniger Wohnraum, dafür mehr Gemeinschaftsflächen. Auf die üblichen Umzäunungen soll verzichtet werden, dafür sehen die Planer eine "sehr moderne Holzarchitektur" vor.

In einem der acht denkmalgeschützten Sturmblickhäuser könnten das Gemeindearchiv und ein Museum für expressiven Realismus einziehen. Und dann ist da noch der Skywalk - eine Fuß- und Radwegverbindung vom See den Hügel hinauf, die sich teilweise wie auf Stelzen über das Gelände zieht. Probleme sieht da der Vertreter des Golfclubs, weil der Skywalk sich auch über den Golfplatz spannen würde: "Wir spielen die Bälle bis zu 60, 70 Meter hoch." Dieser Einwand wird ebenso zu Protokoll genommen wie viele andere - der Gemeinderat muss dann über die Vorschläge und Einwände, die an diesem Abend der Bürgerbeteiligung eingebracht werden, einzeln abwägen und entscheiden.

Der Bürgersaal im Feldafinger Rathaus, das ehemalige Bahnhofsgebäude, ist ein gern genutzter Mehrzweckraum - hier bei einem Informationsabend zur geplanten Umgestaltung des Kasernenareals. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Weitere Anregungen aus dem Publikum sind Wohnungen für Senioren und Indoor-Tennisplätze. Jasmin Promberger vom Bund Naturschutz legt Wert darauf, dass bei der Planung darauf geachtet wird, dass Waldflächen und Biotope vom Autoverkehr verschont bleiben. Andrea Gebhard, die mit ihrem Büro das Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (Isek) maßgeblich geschrieben hat, weist darauf hin, dass ohnehin nur die Hälfte Fläche als Bauland geeignet sei. Was im Saal zu einem Raunen führt. Ein Diskutant spricht den umstrittenen Gewerbebau neben dem Gasthof zur Linde in Wieling an: "So einen Klotz in der Landschaft darf es auf dem Kasernengelände nicht geben." Und er mahnt: "Wenn Gewerbesteuer winkt, sind gute Vorsätze schnell vergessen." Verkehrsplaner Helmut Ammerl plädiert für eine Ringbuslinie in dem Gebiet, in dem Wohnraum, umweltverträgliches Gewerbe, ein Hotel und Forschungseinrichtungen gebaut werden sollen. Er spricht von 5000 bis 6000 Autos, die pro Tag über zu bauende Kreisverkehre in die Staatsstraße einbiegen werden.

Die Diskussion bleibt den ganzen Abend fair und sachlich, die Beiträge der Experten werden von den Besuchern mit Applaus quittiert. Auffallend nur, dass sich Anton Maier, Zweiter Bürgermeister und Gemeinderat der Grünen, nicht zu Wort meldet. "Das war heute ja eine Bürgerbeteiligung. Wir werden zu dem Thema Konversion schon nach etwas sagen", sagte Maier später im Gespräch mit der SZ. Und zwar schon am Donnerstagabend, wenn er zum zweiten Mal von den Grünen als Herausforderer von Bürgermeister Sontheim aufgestellt wird. Immerhin hatte Maier den CSU-Kandidaten Roger Himmelstoß 2014 übertrumpft und Sontheim in eine Stichwahl gezwungen. Dieser war sichtlich zufrieden mit dem Verlauf der Versammlung und kündigte an, "das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten".

© SZ vom 11.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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