Opulentes Klangerlebnis:Orffs Rückkehr nach Andechs

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Unter Leitung von Mark Mast begeistern die Bayerische Philharmonie und die Kultband Haindling die Zuhörer im Florianstadl mit ihrem gemeinsamen Projekt aus "Carmina Burana" und "Agnes Dei"

Von Astrid Becker, Andechs

Carl Orff ist tot - es lebe Carl Orff. Dieser Gedanke muss demjenigen einfach durch den Kopf schießen, der am Samstag einem außergewöhnlichen Konzert im Florianstadl beiwohnen durfte. Außergewöhnlich gleich in vielerlei Hinsicht. Da sind in erster Linie die Künstler, die sich am Heiligen Berg einfinden, um den hier beigesetzten Komponisten und Musikpädagogen zu würdigen: Die Musiker der Bayerischen Philharmonie und der niederbayerischen Kultband "Haindling". Da ist das Werk selbst, oder besser gesagt beide Werke: "Carmina Burana" und "Agnes Dei". Und da ist der Ort, von dem viele eine Zeitlang dachten, er könne nie wieder eine Bühne für Orff'sche Werke sein.

Musikalisch großartig und bisweilen herrlich komisch: Dirigent Mark Mast (links) mit Bariton Florian Götz in "Carmina Burana". (Foto: Georgine Treybal)

Vielleicht muss man einen Blick in die Vergangenheit werfen, um ganz grundsätzlich zu verstehen, warum dieser Abend von Anfang an etwas Besonderes ist. Aus einzelnen "Wochenenden mit Musik" waren 1998 auf dem Heiligen Berg die "Carl-Orff-Festspiele" entstanden - die ziemlich schnell eine große Anhängerschar unter Klassikfreunden gefunden hatte. Im vergangenen Jahr wurde diesem musikalischen Höhepunkt in der Region der Todesstoß versetzt: Zwischen Carl-Orff-Stiftung und Intendant Marcus Everding kam es zu Differenzen. Das Kloster Andechs beschloss daraufhin, nicht mehr als Festspiel-Veranstalter aufzutreten. Das Ende von Orff am Heiligen Berg schien damit besiegelt zu sein. Es war übrigens nicht der erste Eklat in dieser Sache: Auch Mark Mast, der seit 1998 die Festspiele dirigierte, hatte 2009 nach künstlerischen Auseinandersetzungen mit Everding Andechs den Rücken gekehrt.

Bis zum Samstag. Denn Mast ist auch Intendant der Bayerischen Philharmonie, die seit 2010 eigene Orff-Tage aufführt, um dem bayerischen Komponisten "auch in München die Plattform zu geben, die er verdient", wie Mast am Samstag vor dem Publikum im ausverkauften Florianstadl sagte. Für ihn muss es ein besonders schönes Gefühl gewesen sein, erstmals wieder an diesem Ort, nach mindestens 150 Festspiel-Dirigaten, auf der Bühne zu stehen. Und er hatte sichtlich seinen Spaß daran, nicht nur seine eigenen Musiker dabei an seiner Seite zu haben, sondern auch die Band Haindling, die den zweiten Teil des Abends mit dem eigens dafür komponierten und arrangierten Programm "Agnes Dei" bestritt - in Anspielung auf eines der berühmtesten Werke von Orff, "Die Bernauerin". Kirchen- und Kuhglocken waren das Erste, was zu hören war, als die Musiker rund um Bandleader Hans-Jürgen Buchner auf die Bühne kamen. Passend, so musste man einfach denken, für Andechs. Denn gut und gerne hätte dies auch als Anspielung auf den langjährigen Gerichtsstreit zwischen dem Kloster und der ortsansässigen Molkerei Scheitz verstanden werden können. Doch so war es sicher nicht gemeint: Beide Glocken sind nun einmal fester Bestandteil bayerischer Klangwelt. Und um die ging es an diesem Abend ja - übrigens auf vortreffliche Weise. "Carmina Burana meets Haindling", wie das musikalische Kooperationsprojekt überschrieben war, entpuppte sich als Hochgenuss - wegen der Solisten, der Sopranistin Carmela Konrad, dem Tenor Gustavo Martín-Sánchez und dem Bariton Florian Götz, wegen der einfühlsamen Carmina-Burana-Interpretation von Mark Mast und, auf den Teil nach der Pause bezogen, den ebenso großartigen Musikern von Haindling, die nahezu alles an Instrumenten beherrschen, die vorstellbar sind. Sogar die, die es eigentlich nicht gibt: die Rundlinge aus dem Holzfachhandel, denen sie erstaunliche Klänge entlockten. Übrigens wohl ganz im Sinne Carl Orffs, dem dieser Abend mit Sicherheit gefallen hätte. Ebenso wie dem Publikum: Es goutierte das Konzert mit minutenlangem Beifall und Standing Ovations.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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