Neues Mietkonzept:Mithelfen und sparen

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Neuer Verein will mit einem neuen Mietkonzept Familien, Alleinerziehende und Senioren unterstützen

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Seine Frau ist vor zwei Jahren gestorben. Vom Haushalt hat er wenig Ahnung. Und vom Waschen, Kochen, Putzen will sich der 84-Jährige auch nicht die Zeit fressen lasen. Die nutzt Edi Meier, der nicht mit seinem richtigen Namen in der Zeitung stehen will, lieber dazu, um noch ältere Tutzinger zum gemeinsamen Mittagstisch zu fahren oder mit seinem Wohnmobil durch die Lande zu gondeln. "Was ich suche, ist keine Partnerin, keine Freundin, ich will eine Haushaltshilfe", sagt Meier klipp und klar. Einer patenten Mitbewohnerin könnte der agile Senior als Gegenleistung für Hilfsdienste in seiner geräumigen Doppelhaushälfte günstig ein Dachstudio bieten. Seine Hoffnung setzt der Rentner jetzt auf den neuen Verein "Mitwohnen und Wohnen für Hilfe", der sich in Tutzing gegründet hat. Dieser will im gesamten Landkreis Starnberg Wohnpartnerschaften vermitteln.

Das Prinzip ist einfach und läuft bundesweit bereits in 36 Städten: Mieter erhalten Wohnraum und zahlen dafür keine oder nur eine geringe Miete und Nebenkosten zwischen 1,50 und zwei Euro. Dafür leisten sie Hilfe im Alltag. Der Umfang wird im Vorfeld mit dem Vermieter vereinbart. "Das kann Gartenpflege sein oder mit den beiden Hunden Gassi gehen, in Familien mit kleinen Kindern auch Hausaufgabenbetreuung oder Fahrdienste", erklärt der Vorsitzende des Vereins, Ruthard Schuhmann. Auch einfach nur Gesellschaft leisten oder Schreibarbeiten zu übernehmen, sei denkbar, sagt der 67-Jährige. Als Faustregel gelte, für jeden Quadratmeter überlassenen Wohnraum eine Stunde Hilfe zu leisten - im Monat. Bei 30 Quadratmeter wäre das also gerade mal eine Stunde am Tag. Alles, was mit direkter Pflege zu tun hat, sei aber ausgeschlossen.

Das solidarische Konzept könnte den Alltag vieler Personengruppen erleichtern und sogar bereichern. Gedacht ist die Idee vor allem für Ältere, die im Haushalt Hilfe wünschen, vielleicht mehr Sicherheit in einem großen Haus und weniger Einsamkeit wollen. Ihre Zahl wird im Landkreis in den nächsten Jahren erheblich zunehmen (siehe Kasten). Das Modell eignet sich aber auch für Familien, die im Haushalt Unterstützung brauchen; für Alleinerziehende, die stundenweise Kinderbetreuung wollen; und für Studenten, Azubis und Praktikanten, die eine günstige Bleibe in einem der teuersten Landkreise der Republik suchen und Freude an einem offenen, kommunikativen Miteinander haben.

Der Verein, der im September mit 14 Mitgliedern seine Arbeit aufgenommen hat, sieht sich dabei als Vermittler. Menschen, die an dem Konzept Interesse zeigen, müssen nicht in den Verein eintreten. Wer Wohnraum anbietet oder sucht, wendet sich telefonisch oder mit einer Mail an den Verein. Im Internet kann man sich den entsprechenden Fragebogen herunterladen. Man kann ihn aber auch zugeschickt bekommen. "Dann lernen wir jeden persönlich kennen", betont Schuhmann "Wir wollen wissen, wer bietet was an und wer will was." Kommt eine Vermittlung zustande, fallen für einen Anbieter 75 Euro an, für einen "Wohnraumnehmer" 50 Euro. Bislang stehen zwei Anbieter auf der Liste und zehn Suchende. "Noch ist keine Vermittlung zustande gekommen", bedauert der Vorsitzende.

Er begründet dies mit Ängsten und Vorbehalten, die noch bestünden: "Das ist etwas vollkommen Neues, die Tochter ist vielleicht dagegen, da kommt ein Fremder ins Haus", zählt Schuhmann Bedenken auf, die er zu hören bekommen hat. Und ein Fremder könne in Tutzing schon einer sein, der aus Feldafing komme, wundert sich der vor 26 Jahren in die Gemeinde Zugezogene. Die Sorge, man könnte einen Mitbewohner nicht mehr loswerden, soll eine spezielle Vereinbarung nehmen. Die "Wohungsüberlassungsvereinbarung", die Juristen des Landratsamtes entworfen haben, sieht im Gegensatz zu einem Mietvertrag eine vierwöchige Kündigungsfrist für beide Seiten vor. Und eine Probezeit.

Mittlerweile hat der Verein seine Flyer in allen 14 Gemeindeverwaltungen des Landkreises ausgelegt. Schuhmann hat das Konzept in Seniorenbeiräten und Kirchengemeinden vorgestellt. Aber er stellt sich auf einen längere Entwicklung ein, bis das Modell Schule macht.

Die Gründe, dass Interessenten nicht zusammenfinden, sind vielfältig. So konnte sich Edi Meier nicht für eine Frau entscheiden, weil "mit ihr die Chemie einfach nicht gestimmt hat. Man sitzt ja dann schon am selben Tisch". Die Dame wiederum könnte abgeschreckt worden sein, mit dem Hausherrn die einzige warme Dusche im Keller zu teilen, möglichst jeden Tag zu kochen und das Haus zu hüten, wenn der Senior auf Reisen ist. "Das würde ich eigentlich schon erwarten", wie der sagt.

Nähere Informationen bei Ruthard Schuhmann unter Telefon 08158/903206, email mit.wohnen.fuer.hilfe@t-online.de oder unter www.wohnen-und-helfen.de

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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