Neue Vermarktungsidee:Kampf ums Überleben

Lesezeit: 3 min

Der Milchpreis ist viel zu niedrig - viele Bauern aus der Region müssen sich daher neue Einnahmequellen erschließen. Die Familie Sanktjohanser aus Auing setzt daher auf Käse aus eigener Herstellung

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Da liegen sie nun, der Ackerzauber, der Rote Sanktus und der Piccante, Bella Erba und Martins Bauernkäse sind auch mit dabei. Jeder Laib zwischen fünf und sechs Kilogramm schwer, sonnengelb, zum Anbeißen. Seit dieser Woche hat Auing, der kleine Ortsteil von Wörthsee, einen eigenen Käse. Echten Auinger Käse, denn die Milch stammt ausschließlich vom Hof der Familie Sanktjohanser, und sie wird auch gleich direkt auf dem Hof verarbeitet. Nur zum Reifen wird der Käse nach Eglfing gebracht.

Für Martin und Anita Sanktjohanser und ihre Töchter Vroni und Sissi ist der Käse ein weiteres Produkt, um das Überleben des Bauernhofs, der in fünfter Generation bewirtschaftet wird, zu sichern. Die Lage ist ernst. 40 Milchkühe stehen im Stall, sie geben zusammen pro Tag um die 700 bis 800 Liter, aber pro Liter bekommt der Landwirt derzeit mit allen Zulagen nur 27 Cent. Viel zu wenig für das Auskommen. "Wir leben von den Rücklagen", sagt Martin Sanktjohanser. Zum Investieren ist kein Geld da. Seit dem Wegfall der Milchquote seien die Mengen "nicht mehr kontrollierbar". Die Globalisierung macht den Milchbauern zu schaffen und der Russland-Boykott. Und ein Ende der dritten Milchkrise seit 2009 ist nicht in Sicht. "Das wird uns noch Jahre beschäftigen", befürchtet der 55-Jährige. Er will nicht daran denken, was passiert, wenn erst einmal die Rücklagen aufgebracht sind.

Frische Eier gibt es täglich auf dem Hof der Familie Sanktjohanser in Auing.

1 / 3
(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Töchter Vroni und Sissi befüllen den Automaten mit frischen Eiern.

2 / 3
(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Familie verkauft die Milch ihrer 40 Kühe nicht nur an die Molkerei, sondern bietet auch Nudeln, Marmelade und Käse an.

3 / 3
(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Martin Sanktjohanser mit seiner Familie bei der Arbeit im Stall.

Schon viele Jahre vermarkten die Sanktjohansers ihre Produkte, waren es Anfangs nur Eier und Milch, die im Hausflur verkauft wurden, hat sich Anita Sanktjohanser 2005 einen eigenen Hofladen eingerichtet und das Angebot ständig erweitert. Wenn zu viele frische Eier da sind wie in den Ferien oder im Fasching, macht sie Nudeln. Sie kocht Marmelade, macht Säfte und Liköre. Und weil sie schon immer gerne gebacken hat, stellt sie Kuchen und Torten her. Ohne Unterstützung der Töchter Vroni, 26, und Sissi, 24, würde die 49-Jährige das nicht schaffen. Vroni ist ausgebildeter Landwirtin und arbeitet mit auf dem Hof, Sissi ist Schreinerin und packt nach der Arbeit am Abend und am Wochenende mit an. Sie war es auch, die die "Eierhütt'n" an der Hofeinfahrt gebaut hat. Noch eine Neuerung bei den Sanktjohansers. Eier und demnächst auch der Auinger Käse, können aus dem Automaten gekauft werden. Das läuft gut, "überraschend gut", Anita Sanktjohanser kann es kaum glauben. Erklären kann sie es schon: Die Kunden müssen nun nicht mehr bis zum Wochenende warten, wenn das Frühstücksei aus ist. Denn Anitas Hofladen hat offiziell nur Freitag und Samstag geöffnet. Jetzt sind Eier aus Auing, gelegt von 200 Hühnern, sieben Tage die Woche erhältlich. Die Kuchen und Torten - 14 Stück jede Woche - verkauft Sanktjohanser zusammen mit der Meilingerin Alexandra Ludwig samstags auf dem Herrschinger Wochenmarkt.

Mit der Idee, die eigene Milch zu Schnittkäse zu verarbeiten, liebäugelte Anita Sanktjohanser schon länger. Aber eine eigene Käserei wäre viel zu aufwendig. Sie recherchierte und bekam schließlich den Hinweis auf die Mobile Käserei Oberland in Eglfing. Zehn Liter Milch ergeben ein Kilogramm Käse. Die Molkerei zahlt für die zehn Liter etwa 2,5o Euro. Das Kilogramm Käse verkauft Sanktjohanser für knapp 19 Euro. Natürlich kostet auch der Käser, aber verdienen können sie trotzdem daran. Fünf Sorten Schnittkäse gibt es momentan: Natur, mit Bockshornkleesamen, mit italienischen Kräutern, mit Chili und mit Schnittlauch und Zwiebel.

Die "Wertschöpfung aus der Milch" ist Martin Sanktjohanser wichtig. Er möchte einfach nur, dass die Arbeit, das Geld und die Zuwendung, die er in seine Tiere steckt, anständig bezahlt werden. Für seine Kühe und Kälber hat er einen planbefestigten Lauf-Stall gebaut mit Hochboxen, die festen und flüssigen Ausscheidungen der Tiere werden gleich getrennt. Der Mist kommt aufs Feld, die Gülle ist deutlich weniger. Er lege großen Wert auf das Tierwohl, sagt Sanktjohanser. "Das macht mehr Arbeit, bringt aber nicht mehr Geld." Auch seine Frau Anita kümmert sich um die Kühe. Sie sollen so wenig Antibiotika wie möglich bekommen, darum behandelt sie die Tiere mit alternativen Mitteln ohne Chemie. Sie weiß genau, was der Kuh nach dem Kalben guttut. Mit Euterentzündungen gibt es auf dem Sanktjohanser-Hof jedenfalls kaum Probleme. Und die Milch wurde noch nie beanstandet. Das Futter für Rinder und Hühner - Getreide, Mais und Gras - bauen die Sanktjohansers selbst an. Tochter Vroni hat hinter dem Hof Obstbäume gepflanzt.

Alternativen zur reinen Milchviehwirtschaft haben die Auinger Landwirte gefunden. Der Trend zu regionalen Produkten kommt ihnen dabei entgegen. Trotzdem könnten diese Einnahmen die Ausfälle durch den niedrigen Milchpreis "nicht kompensieren", sagt Martin Sanktjohanser. 40 Cent pro Liter wären schön. Dann könnten auch Kleinbetriebe wie der der Familie Sanktjohanser überleben.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: