Nepomuk:Die Ballade von der Energiewende

Lesezeit: 2 min

Danke, danke, danke! In den Gemeinderäten sollte weniger gestritten und mehr gesungen werden.

Es gab eine Zeit, da hatte die Evangelische Akademie noch tolle Ideen, danke, danke, danke: Nein, stopp, alles zurück! War nicht so gemeint. Die Akademie hat auch heute noch tolle Ideen, wirklich. Sie erfand zum Beispiel die Kanzlerrede, den Schloss-Euro und das Volxklang-Festival, lauter Dinge, auf die keiner mehr verzichten will. 1961 also hatte diese bemerkenswerte Einrichtung erkannt, dass eine Sache dringend der Förderung bedarf: das neue geistliche Lied. Wie man das macht? Mit einem Wettbewerb. Heute würde das heißen: Tutzing sucht den Superkomponisten. Damals nannte man es: Preisausschreiben. Trotzdem kann man mit Fug und Recht sagen, dass dieses Jahr 1961 längst als Geburtsstunde des neuen geistlichen Lieds gilt. 600 Künstler bewarben sich, den Sieg trug Martin Gotthard Schneider davon. Und sein "Danke für diesen guten Morgen" stürmte die Charts. Oh ja, 1963 war es unglaubliche sechs Wochen lang in der Hitparade. Ein Kirchenlied!

Aber eigentlich wollt' ich etwas ganz anderes sagen: Nämlich wie schade es ist, dass heute kaum noch gesungen wird. Früher ist immer und überall gesungen worden, beim Zahnarzt und bei der SPD, in der Eisdiele, im Bus, im Schwimmbad und beim Griechen. Es gab Oberärzte im Klinikum, die bestanden darauf, dass ihnen nur Schwestern mit besonders schönen Stimmen wortlos Tupfer und Skalpell reichen durften. Sekretärinnen wurden danach beurteilt, ob sie das hohe C erreichen. Manager, die an der "Bohemian Rhapsody" scheiterten, konnten gleich wieder einpacken. Sogar im Stadtrat war des Trällerns kein Ende. "Hilf, das Böse zu bezwingen", stimmten die Politiker an. Oder: "Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr' Hoffnung stellt?" Und natürlich: "Danke, dass ich alle Sorgen auf dich werfen mag".

Wie es heute aussieht in den Stadt- und Gemeinderäten, ist bekannt. Jeder hält seine eigene Kanzlerrede, es wird gestritten und gekeift, aber überhaupt nicht mehr gesungen. Was wahnsinnig schade ist, denn Singen stärkt das Immunsystem, macht schlau, glücklich und womöglich auch sexy, was keinem schaden würde. Woran das liegt? Es liegt an der Akademie! Sie müsste einen zweiten Wettbewerb veranstalten, diesmal für den neuen kommunalpolitischen Song. Was der Landkreis braucht, das ist die Moritat von der Umgehungsstraße! Das Lied von der Fremdwassergebühr! Die Ausbaubeitragssatzungs-Arie. Und die Energiewende-Ballade. Ja, und als gewählt würde nur noch gelten, wer "Danke" singen kann. Der Rest ergibt sich dann schon, glaubt EUER NEPOMUK

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: