Namensgebung:Schwierige Taufe

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Der Stadtrat überlegt schon jetzt, wie vier geplante Straßen am "Wiesengrund" heißen sollen

Von Peter Haacke, Starnberg

Das Kind braucht einen Namen, in diesem Fall sind es genau genommen sogar vier: Zwar steht am "Wiesengrund", Starnbergs jüngstem Einheimischen-Modell, wegen diverser Verzögerungen und Pannen noch immer kein einziges Gebäude. Aber trotzdem machen sich die Stadträte um die Namensgebung für vier Straßenzüge, die sich irgendwann einmal durch das neue Quartier mit 51 Eigenheimen und mehrgeschossigen Bauten ziehen werden, schon jetzt ernsthaft Gedanken: Die acht Fraktionen sollen bis Ende dieser Woche Vorschläge unterbreiten, wie die neuen Straßen heißen sollen. Man darf gespannt sein, auf welche Namen sich das Gremium am Ende einigen wird.

Die Stadtverwaltung jedenfalls hatte das Thema bereits im April bearbeitet. Sie präsentierte dem Stadtrat jüngst eine Liste mit sechs Namen verdienter Persönlichkeiten, die zu Lebzeiten einen Bezug zu Starnberg hatten. Die mutmaßliche Steilvorlage für eine leidenschaftliche Debatte darüber, wen die Stadt denn nun würdigen sollte, würgte Bürgermeister Patrick Janik jedoch schnell ab: Tatsächlich gibt es derzeit wohl wichtigere Dinge als die voraussichtlich ausschweifende Diskussion über die Namensgebung bislang nicht vorhandener Verkehrsflächen.

Die bisherigen Favoriten der Stadtverwaltung - so geht es aus der Sitzungsvorlage hervor - sind der einst überaus beliebte Stadtpfarrer Konrad Schreiegg (1934 bis 2012), die ehemalige Kindergartenleiterin am Hirschanger Erna Sturm (1909 bis 1994), die Malerin Augusta Alexandrine Gräfin zu Eulenburg (1882 bis 1974) sowie der Bildhauer Richard Throll (1880 bis 1961). Auf der weiteren Vorschlagsliste der Stadt: der Kunsthandwerker Lorenz Gedon (1844 bis 1883) sowie die Widerstandskämpferin Johanna Solf (1887 bis 1954), die auf dem Friedhof an der Hanfelder Straße ihre letzte Ruhestätte fand.

Bei diesen Vorschlägen, so viel ist jetzt schon klar, wird es nicht bleiben. Die Auswahl wird erheblich größer. Grünen-Stadtrat Franz Sengl etwa brachte bereits Kurt Eisner ins Spiel, der nach dem Ersten Weltkrieg vom 8. November 1918 bis zu seinem gewaltsamen Tod am 21. Februar 1919 durch einen Rechtsradikalen erster Ministerpräsident des Freistaats war. Die SPD hingegen dürfte erneut Friedrich Ebert, den ersten Ministerpräsidenten der Weimarer Republik, oder Wilhelm Hoegner als bislang einzigen SPD-Ministerpräsidenten Bayerns favorisieren. Eva John (BMS) schlug derweil überraschend zwei verdiente Kommunalpolitiker vor: den Geschichtsforscher und Kreisrat Hans Beigel (1926 bis 2015) sowie den ehemaligen Landrat für Dresden und den Landkreis München, Heiner Janik (1946 bis 2015), den Vater von Bürgermeister Patrick Janik. Markus Mooser (WPS) indes denkt an schlichte Namen aus Flora und Fauna, Rudolf Zirngibl (CSU) fordert aus pragmatischen Gründen mit bangem Blick auf überlange Adresszeilen in Formularen, Dokumenten und auf Briefen eine Längenbeschränkung. Und Otto Gaßner (UWG) strebt Namensänderungen für die langweilig klingende Hauptstraße, die in der NS-Zeit noch "Adolf-Hitler-Straße" hieß, sowie den Bahnhofplatz an.

Die Verwaltung schlägt unter anderem Konrad Schreiegg und Johanna Solf vor. (Foto: Franz Xaver Fuchs, Stadtarchiv Bietigheim-Bissingen)

Sollten alle acht im Stadtrat vertretenen Fraktionen tatsächlich jeweils vier Namensvorschläge unterbreiten und bliebe auch die Stadtverwaltung bei ihren Favoriten, ergäbe dies bis zu 36 Empfehlungen. Namen aber sind - anders, als es Goethe seinen Helden "Faust" sagen lässt - nicht etwa Schall und Rauch, sondern eine prestigeträchtige Sache für die Anwohner. Sollte sich das Gremium nicht einigen können, könnte womöglich erneut ein Wettbewerb stattfinden, eine Jury müsste über die Vorauswahl befinden. Ob das die beste Idee wäre, steht dahin. Zuletzt waren so die Schiffswiesen getauft worden: Sie heißen jetzt "Bucentaurpark".

© SZ vom 08.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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