Musik :Magie der Entrückung

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Der Cellist Sebastian Hess beim Abschlusskonzert im Gautinger Breitwand-Kino. (Foto: Georgine Treybal)

Cellist Sebastian Hess spielt Theodorakis und Bach

Von Reinhard Palmer, Gauting

Wäre der eigentlich angekündigte Filmregisseur Asteris Koutoulas im Rahmen des Fünfseen-Filmfestivals tatsächlich nach Gauting gekommen, hätten Film, Gespräch und Abschlusskonzert den Rahmen wohl gesprengt. Sein Film "Dance Fight Love Die - With Mikis on the Road" liefert allein durch den Protagonisten, den Komponisten Mikis Theodorakis, mit seinen 95 Jahren bewegten Lebens, Stoff für ein ganzes Festival. Dass der Cellist Sebastian Hess ein Grußwort des Komponisten übermittelte, adelte vor allem das Konzert, auf das sich Theodorakis direkt bezog. Dass Sätze seines "Choros Asikikos" von 1989 Tänzen der Cello-Suiten von Bach gegenübergestellt wurden, wertete er "im Sinne der Freundschaft zwischen Deutschland und Griechenland". Den einstigen Widerstandskämpfer gegen die deutschen Besatzer gab das als einen unermüdlichen Friedensaktivisten zu erkennen.

Theodorakis, den viele als Komponisten der Filmmusik von "Alexis Sorbas" kennen, ist nicht nur ein großer Musiker; sein politisches Engagement ist nicht geringer zu schätzen. Seine aufrechte Haltung machte ihn zum Volkshelden in seinem Heimatland. Er hat auch den Sirtaki als Volkstanz zu erfunden, der seither weltweit zum Inbegriff der griechischen Folklore und Lebensphilosophie wurde.

Aber schließlich ist Theodorakis mit den Wurzeln der abendländischen Musik aufgewachsen. Sie sind auch in den archaischen Werken Bachs noch erkennbar. Da Theodorakis' "Choros Asikikos" auf den Cello-Suiten Bachs basiert, ergab sich ein stimmiges Programm, zumal mit Beinah-Zitaten bisweilen ein direkter Bezug der Werke bestand.

Aber bei dem Mittwochabend im Gautinger Breitwand-Kino sollte es noch um mehr gehen. Die eloquente und charmante Moderatorin des vorausgehenden Gesprächs mit Hess, Martina Veh, baute - ganz Theaterregisseurin - virtuos Brücken, die von der Notlage von Künstlern in Corona-Zeiten über die Odyssee Homers bis zu den in der Musik thematisierten neun Musen reichten. Laut Programm ging es in dem Gespräch um die "Zukunft des Geschichtenerzählens". Ohne den Regisseur Koutoulas, der wegen Krankheit verhindert war, verlagerte sich der Schwerpunkt zur Musik. Zuvor gab es eine poetische Einleitung mit Bezügen zur Odyssee, die Hess in griechischer und Veh in deutscher Sprache vortrugen.

Gespannt erwarteten die Zuhörer beim Abschlusskonzert, wie sich die ernste Musik von Theodorakis anhört. Der Komponist ist kein Avantgardist und eher der Tradition zugewandt, aber dennoch zeitgemäß, denn die neue Musik greift seit geraumer Zeit zumindest formal auf die Ursprünge unserer Musikkultur zurück. Hess suchte jedoch nicht nur die Archaik, sondern auch den emotionalen Gehalt, was der narrativen Charakteristik der Werke mehr Beredsamkeit verlieh.

Das wirkte auch bei Bach, fand jedoch noch mehr Ausdruck in der Musik von Theodorakis. Die tönenden Bilder erschienen besonders dafür angelegt, ausdrucksstark zu erzählen. Rücknahmen nach impulsiven Ausbrüchen tauchten weit vergeistigt in die mikrotonale Magie der Entrückung ab. Auch die barocke Musik Bachs kennt diese Klangspuren. Hess unterschied aber klar und vermochte bei Theodorakis eine besondere Atmosphäre zu schaffen. Eine ägäische Elegie, die das darin vorkommende tänzerische Element nicht zwingend als heiter definierte, vielmehr als Ausdruck einer ausgeprägten Leidenschaft zwischen historischer Dimension, Frömmigkeit, Tradition, Stolz, aber auch Leid und Schmerz. Jedenfalls reichhaltig genug für ein spannendes Kopfkino, das in der Fokussierung auf einen einzigen Interpreten schon sehr eindringlich ansprach.

© SZ vom 11.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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