Gauting:Wildes Fideln

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Martina Eisenreich bleibt auf der Effektebene stecken

Garniert mit Anekdoten sind ihre Moderationen, mit humorvollen Pointen führt die rothaarige Geigerin durch den Abend. Als sie einmal zur Tin Whistle greift, der für gälische Volksmusik typischen Leichtmetallflöte, meint Martina Eisenreich etwa: "Was die Beliebtheit der Flöte betrifft, gibt es bei uns zwei Parteien... ich bin in der anderen." "Contes de Lune", also Mondmärchen, ist das Thema ihres Programms, das sie mit ihrem Quartett am Samstagabend im Gautinger Bosco ihr Programm vorstellte. Wobei die Musik etwas weiter gefasst ist: Es geht um nächtliche Klänge, oft geheimnisvoll, dann wieder heiter im Stil der Musik der Roma.

Die vier Musiker gefallen mit sehr gut aufeinander abgestimmtem Ensemblespiel, die Kommunikation zwischen ihnen stimmt. Mal spielt Eisenreich in trauter Zweisamkeit mit dem Gitarristen Christoph Müller: Violinenpizzicato und Gitarrenpicking verschmelzen zu einem verspielten Mischklang, der den Charakter der Einzelinstrumente verschwimmen lässt. Im nächsten Moment schmiegt sie sich an den Kontrabassisten Stephan Glaubitz, lässt ihn hohl in den Korpus ihrer Violine schaurige Vokale krächzen. Glaubitz uwiederum tänzelt fröhlich im Takt und feuert Wolfgang Lohmeier an. Der Perkussionist ist überhaupt ein Erlebnis, wie ein Irrwisch pendelnd zwischen Schlagzeug und -werk sowie einer gigantischen, metallenen Konstruktion, aus der er sachte mit seinen zwei Sticks klirrende Klangeffekte herausklopft.

Generell lebt die Musik, die stilistisch irgendwo zwischen Filmkompositionen, Weltmusik und Klezmer zu verorten ist, weniger von harmonischem Tiefgang als vielmehr von den Soundeffekten, was nicht von ungefähr kommt: Die Erdingerin Eisenreich hat Filmmusik und Sounddesign studiert, ihr Mann, Schlagzeuger Lohmeier, ist ebenfalls Klangkünstler. Wenn nun Musik aber vorrangig als Untermalung für Visualisierung konzipiert ist, fehlt im Konzert die bildreferentielle Komponente. Das Stück "Tante Käthe" etwa ist herrlich komisch, wenn man das Video dazu anguckt, in dem eine ältere Dame nach dem beschaulichen Kaffeekränzchen mit ihrem Mann plötzlich die Puppen tanzen lässt, kaum dass der Gute aus dem Zimmer ist. Die Musiker um Eisenreich schleichen herein und spielen auf, während Tante Käthe, ganz und gar nicht mehr gediegen, eine kleine Soloparty feiert. Auf der Bühne, reduziert auf die untermalenden Klänge, ist die Gesamtkomposition aus Ton und Bild weniger reizvoll, weil die Musik zu selten über die Effektebene hinauskommt und es oftmals innerhalb der Lieder an Abwechslungsreichtum mangelt; die zündende Idee ist zwar meist da, aber es fehlt bisweilen die Fortführung.

Auch wenn das Quartett gleichermaßen gekonnt wie engagiert die Instrumente bearbeitet: Oft lässt die Freude am Gebotenen ab der Mitte des Lieds nach, wenn man schon verstanden hat, wo die Reise hingeht und man sich auf keine unbekannten Seitenpfade mehr einlassen muss. Die Zuhörer sind trotzdem begeistert, wenn sich etwa beim wilden Fideln der Frontfrau ein Rosshaar aus dem Bogen löst, das sie im Folgenden ungerührt um ihre wilden Locken herumschwingen lässt. Und selbst wenn die Musiker ihre Geschichten von Tourerlebnissen vorbringen, gibt es stürmischen Beifall.

© SZ vom 23.02.2016 / arm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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