Mörlbach:Die Gotische

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St. Stephan in Mörlbach versteckt sich hinter hohen Bäumen - und verblüfft in seinem Inneren mit zwei wertvollen, rund 500 Jahre alten Altären

Von Katja Sebald, Mörlbach

Im Fünfseenland gibt es uralte und fast unbeachtete Kirchen, die spannende Geschichten erzählen können: wie etwa St. Stephan in Mörlbach - die Gotische. Michael Wening schrieb 1701 in der "Topographia Bavaria": "Merlbach, eine Hofmark sambt Schloß Pachhausen im Obern Bayern liegt, Renntambt München, Bistum Freysing, Gericht Wolfertshausen, eine Stundt von da zimblich nieder und nahe bey einem großen Puechwald. (...) Das Gotteshaus zu Merlbach ist dem St. Stephano zu Ehren gewidmet. Sonst aber ist bey dieser Ortschaft außer einem mittelmäßigen Feldbau nichts vorhanden."

Der Berger Ortsteil hat sich bis in unsere Zeit seine dörfliche Idylle erhalten. Das ursprüngliche Schloss, ein kleiner ländlicher Herrensitz, stand einst südlich der Kirche. Es existiert nicht mehr, heute wird als "Mörlbacher Schloss" eine später entstandene Villa bezeichnet. Das von Wening erwähnte Kirchlein, kaum mehr als eine Kapelle, stammt aus dem späten 15. Jahrhundert und steht, heute hinter hohen Bäumen versteckt, sehr malerisch am Rande eines Weihers. Im Inneren birgt es zwei wertvolle gotische Altäre, die man in einer schlichten Dorfkirche nicht erwarten würde: Der Hochaltar aus dem frühen 16. Jahrhundert wurde beim berühmten "Meister von Rabenden" gefertigt, der Verkündigungsaltar von 1480 stammt vermutlich aus einer Schlosskapelle und gelangte erst später nach Mörlbach. Stifter der Kirche waren wohl die Thorer von Eurasburg, die sich 1510 mit ihrem Wappen in einem Chorfenster verewigt haben.

Das mit Flügeln ausgestattete Schnitzretabel zeigt den Heiligen Stephanus mit dem Heiligen Jakobus und dem Heiligen Sebastian. Die prachtvolle Innenseite des Altars im Mörlbacher Kirchlein war nur an Festtagen sichtbar. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die spätgotische Ausstattung hat alle Moden späterer Jahrhunderte überdauert. Der Stephanusaltar ist das einzige vollständig erhaltene Schnitzretabel, das einen Vergleich mit dem von Rabenden im Chiemgau erlaubt, das als Hauptwerk des "Meisters von Rabenden" gilt. Erst seit kurzem weiß man, dass es sich dass es sich bei dem Meister um den archivalisch mehrfach belegten Bildschnitzer Sigmund Haffner handelte, der ungefähr von 1465 bis 1529 lebte und um 1511 seine Werkstatt in München eröffnete. Zu der Zeit lebte der große Erasmus Grasser, Schöpfer der berühmten Moriskentänzer aus dem Alten Rathaus, zwar noch, seine Werkstatt dürfte aber schon nicht mehr bestanden haben. Haffner zeichnet sich vor allem durch seine derben, aber ungemein ausdrucksstarken Gesichter sowie durch die sorgfältig ausgearbeiteten Frisuren und Hände aus, gleichzeitig zeugt das filigrane Gesprenge des Altars mit seiner verspielten Formenvielfalt von seinem enormen handwerklichen Können und seiner Phantasie. Selbst wenn er den Mörlbacher Altar nicht eigenhändig anfertigte, so gilt doch mittlerweile als gesichert, dass er in seiner höchst produktiven Werkstatt entstanden ist.

Den zentralen Platz im Schrein des Mörlbacher Altars nimmt die Schnitzfigur des Heiligen Stephanus ein, zu seiner Linken ist der Heilige Jakobus der Ältere dargestellt und zu seiner Rechten der Heilige Sebastian. Das mit Flügeln ausgestattete Schnitzretabel ist eine Glanzleistung gotischer Kunst: Bei dieser Art von Wandelaltar konnten durch das Auf- und Zuklappen der Flügel unterschiedliche Bildprogramme abgerufen werden. Der geschlossene Zustand ist dabei als Werktagsseite zu verstehen. In Mörlbach zeigt der geschlossene Altar vier gemalte Szenen aus der Passionsgeschichte. Die innere, die Festtagsseite, war nur bei geöffneten Flügeln sichtbar und entsprechend aufwändiger und kostbarer gestaltet.

St. Stephanus (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Noch älter als der Hochaltar ist der Verkündigungsaltar, der jedoch nicht zur ursprünglichen Kirchenausstattung gehörte. Wie und wann er in die Kirche gelangte, ist immer noch ungeklärt. Hier sind es die ausnehmend schön bemalten Seitenflügel, denen ein weiterer unbekannter Künstler seinen Notnamen verdankt: der "Meister des Mörlbacher Marienaltars". Die beiden geschnitzten Figuren im Schrein zeigen die Verkündigung. Die Bildtafeln auf den Flügeln stellen Szenen aus dem Marienleben dar. Beim geöffneten Altar sind dies der Tempelgang Mariens, die Heimsuchung, die Darbringung Christi im Tempel und die Flucht nach Ägypten.

Seit alters her findet in Mörlbach am 26. Dezember, dem Stephanitag, ein Umritt statt, bei dem die Pferde mit Weihwasser besprengt werden und das "Stephanisalz" geweiht wird, das sie ein Jahr vor Krankheiten bewahren soll. Jeden 4. Dienstag im Monat findet um 8 Uhr eine Messe statt. Die Kirche kann nur nach Anmeldung bei der Mesnerin besichtigt werden: Informationen dazu gibt es im Katholischen Pfarramt Aufkirchen (08151/998 7980). Wer nach der Besichtigung der Kirche einkehren will, kann zum Beispiel in etwa 40 Minuten zu Fuß nach Irschenhausen spazieren, wo das "Rittergütl" mit einem Biergarten mit herrlichem Ausblick und gepflegten Speisen lockt - echte Ritter hat es dort allerdings nie gegeben, der Name bezieht sich lediglich auf einen früheren Besitzer des Gasthauses. (www.ritterguetl.de, Telefon: 08178/3803, Dienstag Ruhetag)

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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