Mitten in Starnberg:Sammeln, sammeln, sammeln

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Was der Prämienshop verspricht - der Klappschlitten ist nur 8799 Punkte entfernt

Von Gerhard Summer

Das Leben kann so schön und voller Überraschungen sein, zum Beispiel beim Einkaufen. "Haben Sie eine Deutschlandkarte?", fragt die Kassiererin in einem Starnberger Supermarkt ziemlich bestimmt, aber doch sehr freundlich, und fängt schon an, Bananen und Getränke über den Scanner zu ziehen. Tja, die müsste wohl noch irgendwo im Auto liegen. Leicht verknittert vom letzten Abenteuer, einer nächtlichen Fahrt quer durch die Republik zum berühmten Hamburger Fischmarkt, die morgens um sieben kläglich endete, weil keiner im Auto so viel Orientierungssinn hatte, sich in dieser Stadt zurechtzufinden. Aber halt, gemeint ist etwas anderes: die Deutschlandcard. Ein Bonussystem, das so ähnlich funktioniert wie die famosen Treueherzen. Oder die Payback-Punkte. Und die wunderbare Rabattkarte am Bibisee bei Königsdorf, die ein Freibier für den verhieß, der vorher zehn Halbe konsumiert hatte und sich noch in Richtung Kiosk bewegen konnte.

Kurzum, die Deutschlandkarte muss eine wunderbare Sache sein, der Kunde gibt vorher nur ein paar Daten von sich preis, was soll's, die hat wahrscheinlich eh schon jeder. Danach geht's gleich ans große Sparen in allen möglichen Geschäften. Nur ein paar Beispiele: Für die Muskatmühle braucht man 2299 Punkte, die Heizdecke ist gegen 5499 Punkte zu haben. Und der praktische Klappschlitten aus massiver Buche, mit dem man wahrscheinlich sogar Hamburg erreichen kann, wenn der Winter so weitermacht, steht mit 8799 Punkten im Prämienshop.

Der Rodelfreund müsste vorher also für 17 598 Euro eingekauft, getankt oder sonst was haben. Denn für volle zwei Euro Einkauf gibt es einen Punkt. Ja gut, das mag einem zunächst wie eine große Summe vorkommen. Aber wenn man bedenkt, dass der Single in der Woche mindestens für 180 Euro Waren nach Hause schleppt und tankt, dann vergehen nicht mal zwei Jahre, bis der tolle Schlitten vor der Tür steht, dann aber möglicherweise in einem schneelosen Winter. Im Falle einer fünfköpfigen Familie ginge es natürlich viel, viel schneller. Doch wie erklärt man drei Kindern, dass sie sich jetzt einen Schlitten teilen müssen? Indem man zwei weitere dazukauft? Gut, es gibt eine Alternative: dreimal 800 Punkte sammeln und jeweils 79,99 Euro für die Rodel draufzahlen. So geht's bedeutend schneller. Mag sein, dem Internetkäufer käme der Spaß auch kein bisschen teurer. Aber das wahre Vergnügen liegt doch ohnehin im Punktesammeln.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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