Mitten in Andechs:Mußestunden mit Tulpenzwiebeln

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Warum Entspannung in der Gemeinde am Heiligen Berg garantiert ist - zumindest derzeit

Von Astrid Becker

Andechs ist ein Ort der Freude. Finden zumindest die Menschen, die dort leben. Wie recht sie haben, zeigt die Geschichte einer Erlingerin. Seit vielen Monaten - ach was seit Jahren - freut sie sich darüber, jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit eine gefühlte Viertelstunde vor einer roten Ampel im Stau zu stehen. "Straßenyoga" nennt sie das. Weil sie endlich einmal Zeit, Ruhe und Muße für sich selbst habe, sagt sie und äußert den Wunsch, die Straße möge bitte nie fertig werden.

Dieser Wunsch ist umso nachvollziehbarer, weil die Arbeiten an der Straße ihr vor kurzem sogar noch mehr Zeit, Ruhe und Muße beschert haben. Denn plötzlich funktionierte bei ihr zu Hause nichts mehr. Kein Telefon, kein Internet. Nicht mal das Handy wollte sie noch mit mobiler Datenübertragung am Weltgeschehen teilhaben lassen. Drei herrliche Wochen brachen für die Erlingerin an - zumal die Telekom ihr laufend einen Techniker ins Haus schicken wollte, der nie kam. Urlaub musste die gute Frau dafür nehmen, um auf ihn zu warten, was ihr noch mehr Zeit, Ruhe und Muße schenkte. Keine SMSen, keine lästigen Emails, keine unangenehmen Anrufer. Nichts. Die Erlingerin hatte plötzlich Lust darauf, ihr Blumenbeet mit Tulpenzwiebeln zu bestücken oder einfach mal wieder nur vor dem Kamin zu sitzen und Tee zu trinken. Mehr blieb ihr ohnehin nicht übrig: Abwarten und Teetrinken. Am Montag schellte es an der Haustür. Der Techniker der Telekom. Er erzählte irgendwas von den Straßenausbauarbeiten, bei denen die Kabel gekappt worden seien. Sie versuchte noch, den Mann an der daher nötig gewordenen Reparatur ihres Speedports zu hindern. Vergeblich. Jetzt funktioniert wieder alles. Leider. Für Zeit, Ruhe und Muße bleibt der Erlingerin nur mehr die rote Ampel an der Ortsdurchfahrt. Aber die wird es sicher noch länger geben. Hoffentlich.

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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