Mitten im Alltag:Obacht vorm Hosendirndl

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Schon amüsant, was Zugezogene im Dialekt so von sich geben - erst recht, wenn sie im Grundschulalter sind

Kolumne von Nathalie Stenger

Was passiert, wenn man unterfränkisches und oberbayerisches Genmaterial zusammenschmeißt? Ganz richtig, heraus kommen hochdeutsche Nachkommen, die weder mit dem einen, noch dem anderen Dialekt etwas anfangen können (bestes Beispiel liefert wohl die Verfasserin dieser Zeilen). Für den Preißn in der Landeshauptstadt ist das kein Problem, der kommt mit dem Dudendeutsch wunderbar zurecht und weiß sich zu verständigen, schwierig wird's jedoch nach einem Umzug aufs Land. Der mag im Falle des Betroffenen nun schon eine Weile her sein, und Akklimatisation braucht schließlich auch seine Zeit, aber wenn ein Achtjähriger plötzlich aus dem Nichts anfängt, bairische Floskeln herauszuposaunen, irritiert und amüsiert das immens.

Einen Anfang macht der freudige Aufschrei "Mei, ist des a scheens Fleckerl!", der zum ersten Mal bei einer gemeinsamen Fahrradtour über Wald und Wiese zum Einsatz kommt - in Minutenabständen wohlgemerkt. Dass es am Bahnübergang, auf dem Kiesweg und vor der Eisdiele nicht überall gleich "schee" sein kann, interessiert nicht, es geht wohl mehr um den Satz. Und so bleibt den Begleitenden nichts anderes übrig, als die überquellende Euphorie des schlangenlinienfahrenden Grundschülers über die frisch erworbene Redewendung über sich ergehen zu lassen.

Platz zwei in der Kategorie "Bairisch für Zuagroaste" geht an "Ja, spinnt der Bebbi!", ein Ausruf des Erstaunens, der in so ziemlich jeder Situation genutzt wird. Bei falschen Hausaufgaben, iPad-Spiel-Verboten oder Essen, das nicht dem eigenen Geschmack entspricht. Woher kommt das, fragen sich Umstehende? Man selbst hat die Anpassung durch Tarnung schon längst aufgegeben.

Dass der grundlegende Fokus auf die bayerische Kultur aber auch falsch angewendet werden kann, beweist das letzte Beispiel: das Hosendirndl! Hier ist nicht etwa die große Liebe zur bayerischen Tracht gemeint, nein, es geht um den guten, alten Hosenschlitz. Dieser war bei dem Kleinen offen, nach einem diskreten Hinweis folgte ein "Oh, mein Hosendirndl!" und ein schnelles Zerren am Reißverschluss. Auf den Hinweis, das sei ein Hosentürl, konterte der Kleine mit einer Fusion seines Sprachrepertoirs: "Wurscht, das sage ich jetzt so."

© SZ vom 09.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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