Neues Fahrzeug:Ein Stück Mobilität

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Ein neuer Bus ermöglicht es den IWL-Werkstätten, auch Rollstuhlfahrer zu befördern. 170 Menschen mit Behinderung arbeiten in Machtlfing. Die Auftragslage könnte allerdings noch besser sein.

Von Otto Fritscher, Machtlfing

Für viele ist ein Bus ein simples Beförderungsmittel, um von A nach B zu gelangen. Für die Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, die in den Isar-Lech-Würm-Werkstätten (IWL) in Machtlfing arbeiten, stellt das nagelneue Gefährt, das an diesem sonnigen Mittwochnachmittag präsentiert wird, aber wesentlich mehr dar. "Es bedeutet ein großes Stück Lebensqualität, weil wir nach einem Jahr auch wieder Rollstuhlfahrer mitnehmen können", sagt Alexander Härtl, Betriebsleiter der Werkstätten, die im kommenden Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiern. Neben fünf anderen Passagieren können zusätzlich zwei Menschen in dem Bus in ihren Rollstühlen sitzend befördert werden, etwa zum wöchentlichen Schwimmen in die Franziskus-Schule nach Starnberg, oder zu einem Ausflug nach München oder ins Grüne. "Also mitten hinein ins Leben, das sich sonst für sie nur hier in den Werkstätten abspielt", sagt Härtl.

"Endlich haben wir wieder einen Rolli-Bus", freut sich auch Roland Nagl, Projektentwickler bei den IWL. "Denn ein Jahr lang war das aus versicherungsrechtlichen nicht möglich." Bis dahin hatte zwar ein Busunternehmen tagsüber einen Bus zur Verfügung gestellt, der von IWL-Mitarbeiter mit dem entsprechenden Führerschein chauffiert wurde. Doch das reichte plötzlich nicht mehr, es sollten nur noch Fahrer des Busunternehmens ans Steuer dürfen. "Damit war die Sache gestorben", sagt Nagl. Die Alternative war die Anschaffung eines eigenen Rolli-Busses. Die 50 000 Euro kamen über Spenden zusammen, auch die Stadt Starnberg etwa war mit 9000 Euro dabei.

Am Mittwoch ist es nun soweit, das blitzblank geputzte Gefährt rollt in den Hof. Die Ehrengäste, darunter die Bürgermeisterinnen Eva John (Starnberg) und Anna Neppel (Andechs), applaudieren. IWL-Geschäftsführer Martin Becker nimmt die Bus-Präsentation zum Anlass, um gleich mal die gesamten IWL-Werkstätten vorzustellen. 170 Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen geistiger, körperlicher und psychischer Art sind hier beschäftigt, 35 Mitarbeiter, darunter Psychologen, Sozialpädagogen, aber auch Handwerker wie Schreiner, leiten sie an und betreuen sie. Die meisten der Beschäftigten kommen aus dem Landkreis Starnberg, sie arbeiten viereinhalb Tage in der Woche in einem der vier unterschiedlichen Bereiche.

Denn nach außen hin stellen die "Isar-Würm-Lech-Werkstätten für Menschen mit Behinderung", so der offizielle Name, einen (fast) normalen Betrieb dar, der sich mit seinen Dienstleistungen und Produkten auf dem Markt behaupten muss. Nach innen gelten natürlich etwas andere Maßstäbe als in anderen Unternehmen. Oberstes Ziel sei es, Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben teilhaben zu lassen, sagt Martin Becker. "Dabei müssen wir aber immer das Pendel zwischen Produktion und Rehabilitation beachten", sagt der Geschäftsführer. Muttergesellschaften der IWL sind übrigens die Lebenshilfe Starnberg und das SOS-Kinderdorf Dießen.

Was machen die Menschen nun in Machtlfing? Es gibt vier Arbeitsbereiche: Holzverarbeitung, Industriemontage und Konfektionierung, Gärtnerei und Landschaftspflege sowie Gebäudereinigung. In der hauseigenen Schreinerei werden nicht nur Auftragsarbeiten erledigt, sondern auch zwei Möbellinien hergestellt: Iwelo, ein Möbelsystem, das mit einem Leiterregal wie bei Ikea anfing, und mit dem man inzwischen komplette Büros, Kinder-, Wohn- und Schlafzimmer einrichten kann. Und dann gibt es die Pure Line, die unter anderem ein Kinderbett, das mitwächst, umfasst. "Wir haben es mit Erfolg auf der Möbelmesse in Köln präsentiert", berichtet Schreiner Jürgen Murr.

"Diese Geschäfte laufen gut", bestätigt Betriebsleiter Härtl. Dagegen ist im Bereich Montage ein Auftrag von 3M Espe weggebrochen. Das Seefelder Unternehmen gehört zwar noch zu den Kunden, hat aber die Fertigung eines Bauteils selbst übernommen. "Eine Umsatzlücke von 500 000 Euro, die sich nicht so schnell schließen lässt", sagt Becker. Insgesamt werden an den drei Standorten der IWL (München, Machtlfing und Landsberg) 20 Millionen Euro jährlich umgesetzt. Andere Mitarbeiter konfektionieren Schrauben, Scharniere und Hülsen in kleine Plastiktüten. "Bei der Industriemontage und in der Schreinerei können wir noch Aufträge gebrauchen", erklärt Becker, während die Landschaftsgärtner komplett ausgebucht sind. 15 Menschen rücken in drei Teams aus, mähen, säen und stutzen Bäume und Hecken. Luft nach oben gibt es auch noch bei den Gebäudeservices. Aber - und das ist neu - der Bereich Hauswirtschaft versorgt nun nicht nur die in Machtlfing Beschäftigten: "Wir haben von den Wasser- und Abwasserbetrieben AWA-Ammersee den Auftrag erhalten, für zwölf Mitarbeiter die Kleidung zu reinigen. Das ist für die dort Beschäftigen ein tolles Ding, der erste externe Auftrag", sagt Alexander Härtl.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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