Lochham:Es läuft nicht rund

Lesezeit: 2 min

Experten werten den Kreisverkehr als Einzelfall in der Republik. Sie empfehlen nun einen gründlichen Umbau

Von Annette Jäger, Lochham

Seit eineinhalb Jahren ist die neue Verkehrsführung an der Kreuzung Lochhamer und Rottenbucher Straße in Betrieb, und seitdem stellen Gemeinderäte und vor allem der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) die Sicherheit dieses Knotenpunktes infrage. Jürgen Gerlach, Verkehrsexperte und Professor an der Universität Wuppertal, hat nun in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses festgestellt: Es ist etwas Besonderes, das sich die Gräfelfinger dorthin gebaut haben - ein Einzelfall, der in anderen Städten so nicht auffindbar ist. Seine Empfehlung: "Tun Sie etwas!"

Obwohl sich bereits einige Unfälle am Kreisverkehr ereignet haben, hält Jürgen Gerlach den Kreisverkehr nicht für derart unfallträchtig, als dass die Gemeinde deshalb eingreifen und ihn umbauen müsste: "Eine rechtliche Notwendigkeit sehe ich nicht." Trotzdem sollte die Gemeinde nachbessern. Zu Spitzenzeiten sei eine "mittlere bis hohe Belastung" des Kreisverkehrs zu beobachten; vor allem Schüler, die den nahen Schulcampus besuchen, überqueren das Rund in großer Zahl.

Offensichtlich ist, dass das Bauwerk Defizite aufweist, die bereits durch ein Sicherheits-Audit dokumentiert wurden: Die Kreisinsel ist zu schmal und die Fahrbahn zu breit, so dass Autofahrer ungehindert über den Kreisel brettern können. Obendrein können sie im Kreisverkehr Radfahrer überholen und ihnen bei der Ausfahrt aus dem Kreisel den Weg abschneiden. Unterm Strich, so Gerlach, ist die Führung der Radfahrer "Kraut und Rüben" - es sei schwer abzuschätzen, wie sich Radler im Kreisel verhielten, manche führen sogar im Uhrzeigersinn. Drittes Manko seien fehlende Fahrbahnteiler - kleine Verkehrsinseln, die auf der Zufahrt zum Kreisel die Fahrbahn teilen und für Fußgänger eine Zwischenstation beim Überqueren schaffen. In Lochham müssen die Fußgänger die breite Fahrbahn in einem Zug überqueren - eine Gefahrensituation. Als Lösung schlug Gerlach einen Kompromiss vor, da ein Neubau der Verkehrsanlage wohl kaum "verhältnismäßig" sei.

Radfahrer sollten auf den Gehweg geführt werden, der dann zu einem gemeinsamen Geh- und Radweg würde. Im zweiten Schritt sollte die Kreisinsel größer und die Fahrbahn schmaler werden. Gleichzeitig sollte der Innenkreis mit einer drei Zentimeter hohen Bordsteinkante versehen werden, um für Autofahrer ein deutliches Hindernis zu schaffen. Ideal wäre es, zusätzliche Flächen für Fahrbahnteiler zu gewinnen, so dass auch die Zufahrt zum Kreisel enger wird. Dafür müssten allerdings Grundstücke erworben werden. Laut Gerlach kostet die Umsetzung der Vorschläge, je nach Ausführung, zwischen 150 000 und 700 000 Euro.

Gemeinderätin Katharina Weber (Grüne/Unabhängige Liste) brachte die Frage auf, ob nicht Haftungsfragen zu klären seien, weil das beauftragte Planungsbüro nicht regelkonform gebaut habe. Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing, IGG) hält eine Haftungsklage jedoch nicht für "zielführend", bei der Planung "haben viele Köche im Brei gerührt".

Es galt seinerzeit, viele Wünsche und Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Es sollte für den Kreisel kein zusätzlicher Grund gekauft werden, das Rund sollte gut passierbar für Busse und Schneeräumer sein und zudem leise überfahren werden können, um Anwohner zu schonen. Eine ursprünglich geplante Radspur kam wieder weg, eine sinnvolle jedoch nicht hinzu. Der ADFC fühlt sich durch die Ausführungen des Verkehrsexperten bestätigt, sagte Lotar Krahmer nach der Sitzung, die Lösungsvorschläge hält er jedoch für nicht vereinbar mit den Richtlinien. Er favorisiert einen Neubau.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: