Literatur:Figuren mit Eigenleben

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Ticket nach Berlin: Die junge Autorin Julie Craig Burkhardt ist aus 600 Bewerbern ausgewählt worden. (Foto: OH)

Weßlingerin Julie Craig Burkhardt stellt eine ihrer Kurzgeschichten beim "Treffen junger Autoren" in Berlin vor

Von Hannah Maassen, Weßling/Berlin

Die erste Geschichte die Julie Craig Burkhardt ihren Eltern mit zwei Jahren erzählt hat, handelte von einem sprechenden und laufenden Haus. Von da an hatte sie "wöchentlich die besten neuen Ideen für zwei Romane, die dann aber doch nichts geworden sind."

Seit sie sechs Jahre alt ist, will die heute 18-Jährige Autorin werden. Nun ist sie diesem Traum einen Schritt näher gekommen: Mit ihrer Kurzgeschichte "Down to a sunless sea" ist sie mit 19 anderen Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 22 Jahren zum "33. Treffen junger Autor*innen" zu den Berliner Festspielen eingeladen worden. Aus etwa 600 Bewerbern wurde sie ausgewählt, an Workshops und Textwerkstätten teilzunehmen und am Ende ihre Geschichte bei einer gemeinsamen öffentlichen Lesung vorzutragen.

Die junge Frau hat sich schon mehrmals für das Autorentreffen beworben, das erste Mal mit zwölf. 2015 ist sie mit dem Förderpreis für junge Autoren ausgezeichnet worden. Seit zwei, drei Jahren sei es ihr größtes Ziel gewesen, in Berlin dabei zu sein. 2017 nahm sie an einer Schreibwerkstatt in München teil, jetzt hat sie es geschafft: Als die E-Mail mit der Bestätigung kam, konnte sie es erst gar nicht glauben, eigentlich könne sie das immer noch nicht ganz. Bis zum Ende war sie sich nicht sicher, ob ihre Geschichte gut ist: "Entweder war es das Beste, was ich je geschrieben hatte, oder es interessiert niemanden".

Es war wohl eher Ersteres: Die prämierte, fünfseitige Geschichte, die nach dem einem Vers aus dem Gedicht "Kubla Kahn" von Samuel Taylor Coleridge benannt und davon inspiriert ist, handelt von einem depressiven Studienanfänger, der 2006 nachts durch die Straßen Readings spaziert und am Ufer der Themse landet. In dem Moment, in dem man sich als Leser nicht sicher ist, ob der Junge den Abend überlebt, setzt sich ein Bekannter oder Freund (so genau wird das nicht gesagt) zu ihm und führt mit ihm ein Gespräch über das Leben und darüber, dass er sich Hilfe suchen sollte. Die Geschichte endet - wie bei Kurzgeschichten oft der Fall - offen.

Auch Burkhardt ist sich nicht so sicher, ob das Gespräch im Endeffekt unter die Kategorie "lebensverändernd" oder "egal" fällt: "Meine Figuren machen schon seit Jahren nicht mehr das, was ich mit ihnen vorhatte", manchmal stelle sich erst beim Schreiben heraus, welches Geschlecht der Protagonist habe, oft entwickelten sich die Geschichten ganz anders als von ihr vorhergesehen. Wenn sie über ihre Charaktere redet, klingt es auch nicht so, als wären ihre Figuren aus Tinte und Druckerpapier, sondern aus Fleisch und Blut.

Die Ideen für ihre Geschichten kämen und gingen, wie sie wollten, erzählt die Weßlingerin, die meisten halte sie auf ihrem Handy in den Notizen fest. Manchmal, wenn sie Zeit oder Lust hat, setzt sie sich dann an ihren Laptop und schreibt einfach drauflos, verarbeitet die Geschichtsfragmente, Verse und Zeilen, die sich in ihrem Handy angesammelt haben. Die Geschichten entwickelten sich dann beim Schreiben, oft dienten auch Lieder oder Beobachtungen aus dem Alltag als Inspiration, so auch bei der prämierten Geschichte.

Momentan kommt sie auch wegen des gerade begonnen Studiums nicht zum Schreiben, aber "ich habe 100 Ideen, die rausmüssen". Irgendwann will sie mal ein Buch rausbringen und hauptberuflich Autorin werden, am ehesten mit einem Roman, denn "da hat man einfach am meisten Perspektive", gegen einen Kurzgeschichtenband hätte sie aber auch nichts einzuwenden. Weil aber eben so viele Leute Autor werden wollen, studiert sie jetzt Biomedizin, quasi als Absicherung. Vor dem fünftägigen Treffen in der Hauptstadt freute sie sich vor allem auf die Workshops und die Lesung. Ihre Seminare sind unter anderem zu den Themen Lyrik und Schreiben im Internet. Außerdem könne man mit Profis an den mitgebrachten Texten arbeiten. Ein bisschen aufgeregt ist sie aber auch, es ist ihre größte Lesung bisher.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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