Lesung:Das ewige Rätsel

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Oliver Pötzsch liest mit musikalischer Begleitung aus seinem fiktiven Roman um den Kini

Von Ute Pröttel, Feldafing

Geschichte schreibt die besten Geschichten, davon ist Oliver Pötzsch überzeugt. In seiner eigenen Familienhistorie fand der Autor den Stoff für seine erfolgreiche Henkerstochter-Saga, denn Pötzsch entstammt einer Familie, die in grauer Vorzeit als Scharfrichter von Schongau bekannt waren. "Meine dunkle Seite", raunt er mit angenehm tiefer Stimme ins Mikro. Am Samstagabend ist er ins Café Max II. in Feldafing gekommen, allerdings um sich einem anderen geschichtlichen Phänomen zu widmen: der Verschwörung um den Tod von König Ludwig II. Auch dazu hat Pötzsch einen Roman geschrieben, der 2008 bei Ullstein erschienen ist.

Der Autor, der mit Gitarre vor sein Publikum tritt, wird begleitet von der Sängerin Andrea Tafertshofer und dem Pianisten Maximilian Ginter, der allerdings nicht auf dem Flügel im Saal neben dem Café spielt, sondern lieber sein eigenes E-Piano mitgebracht hat. Rund 80 Zuhörer sind zur Thrillerlesung mit Gstanzeln und königlichen Liedern gekommen.

Bis heute bietet der Tod von König Ludwig II. Anlass für wilde Spekulationen. Und wer einmal beginnt, sich mit den Geschehnissen näher zu befassen, warnt Pötzsch, den befällt das "Ludwigvirus". Auch Pötzsch, der lange Zeit als Fernsehautor für den Bayerischen Rundfunk unter anderem für die wöchentliche Sendung "Quer" tätig war, stößt bei seinen Recherchen auf Ungereimtheiten. Warum hatte der ertrunkene Monarch kein Wasser in der Lunge? Warum wurde die Leiche des Psychiaters Bernhard von Gudden, der etwa gleichzeitig und am gleichen Ort wie der König unter ungeklärten Umständen den Tod im Starnberger See starb, nicht obduziert? Warum wurde die Bootshütte, in die beide Leichen in Berg verbracht wurden, nur einen Tag nach der Leichenschau abgerissen? Und wie kommt es, dass der Fischer Lidl sich bald darauf ein stattliches Anwesen erbauen konnte?

Im Mittelpunkt von Pötzschs Roman "Die Ludwig-Verschwörung" steht ein mysteriöses Tagebuch, in dem verschlüsselt niedergeschrieben ist, was damals wirklich passierte. Und tatsächlich, erzählt Pötzsch, existiert dieses in blaues Samt gebundene Tagebuch. Es wird Ludwigs Leibarzt Max Schleiß von Löwenfeld zugeschrieben. In Pötzsch Roman ist der Verfasser allerdings die fiktive Figur des Arztes Theodor Marot.

Im ersten Teil des Abends spürt der Autor der Frage nach: Wie verrückt war der König nun wirklich? Er liest vom Geburtstagsabend auf dem Schachen und einem Treffen des Leibarztes mit Ludwig in der Venusgrotte von Schloss Linderhof. Dazu singt Andrea Tafertshofer das seinerzeit verbotene Ludwig-Lied "Auf den Bergen wohnt die Freiheit". Zudem stehen Wagner, aber auch Karl Valentin und Ludwig Prell auf dem Programm. Zu Pause steht fest: Ludwig war kein leichter Charakter. Doch von einer paranoiden Psychose kann auch keine Rede gewesen sein. Er war halt bausüchtig. Heute würde man ihn wohl als Borderline-Typ bezeichnen, meint Pötzsch, und zitiert einen Zeitgenossen: G'sponna hat er scho, aber schön g'sponna.

Am Ende der launigen Lesung präsentiert Pötzsch drei Versionen, wie Ludwig II. zu Tode gekommen sein könnte. Wie sein Buch endet, verrät er nicht. Nur soviel: Seine Lösungen seien durchaus denkbar. Doch ein ewig Rätsel wird Ludwig II. bleiben - darauf einen Königsjodler.

Im Feldafinger Café Max II wird es von März an donnerstags bis 22 Uhr Livemusik geben.

© SZ vom 19.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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