Leidensgeschichten gesammelt:Bakterien gegen Mücken

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Die Aussagen der von der Mückenplage betroffenen Bürger haben Margit Vetter und Rainer Jünger zusammengefasst und jetzt an Herrschings Bürgermeister Christian Schiller (rechts) übergeben. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Herrsching erwägt, Plage mit dem Mittel BTI zu bekämpfen

Von Marcella Rau, Herrsching

Sonnenuntergänge am See genießen, laue Abenden auf der Terrasse ausklingen lassen: Der Sommer rund um den Ammersee könnte so idyllisch sein, wären da nicht Scharen von kleinen blutsaugenden Plagegeister, die gerade in Gewässernähe den Menschen schnell das Leben zur Hölle machen. Viele Herrschinger litten stark unter der in manchen Jahren enormen Stechmückenpopulation, berichtet Margit Vetter, eine der Initiatoren der Initiative "Mückenplage - Nein Danke!", die sich für eine giftfreie Bekämpfung der Stechmücken durch den Einsatz des natürlichen Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis israelensis (BTI) einsetzt.

Um ihrem Anliegen Nachdruck und den vielen Betroffenen im Gemeindegebiet eine Stimme zu verleihen, hatte Vetter alle Herrschinger dazu aufgerufen, ihre Leidensgeschichte in kurze Statements zu fassen. Sechzig solcher Stellungnahmen sind in sechs Wochen zusammen gekommen und wurden nun von Vetter gemeinsam mit Rainer Jünger, Gemeinderat aus Schondorf und Mitinitiator der Initiative, an Bürgermeister Christian Schiller übergeben.

Die Betroffenen schildern teilweise drastisch, wie sie sich im Sommer kaum mehr draußen bewegen könnten, der Weg von der Haustüre zum Auto nur noch im Laufschritt möglich sei, oder Kinder umständlich bei geschlossenen Fahrzeugtüren angegurtet werden müssten. Auch von Überlegungen wegzuziehen ist immer wieder die Rede. Auch er hätte bereits E-Mails bekommen, in denen Bürger klagten, dass sie es angesichts der Mückenplage in Herrsching nicht länger aushielten, so Schiller. Für ihn ist der Einsatz von BTI als ökologische Alternative zu chemischen Insektiziden daher eine willkommene Möglichkeit, dem Problem Herr zu werden. Das Gute an BTI sei, dass es ganz gezielt gegen Überschwemmungsmücken eingesetzt werden könne und andere Insekten dadurch nicht zu Schaden kämen, berichtet Jünger. Das Mittel werde mit der Hand oder in schwerer zugänglichen Gebieten auch mithilfe von Hubschraubern oder Drohnen ganz gezielt an jenen Orten ausgebracht, die Mücken zur Brut nutzen. Das BTI wird dort von den Larven aufgenommen und reagiert im Darm der Tiere, wo es seine tödliche Wirkung entfaltet.

Da anderen Insekten die entsprechenden Rezeptoren fehlten, habe der Stoff für sie keinerlei Wirkung. Auch für Menschen sei er völlig unbedenklich, könne sogar gefahrlos gegessen werden, meint Jünger. Zu jeder Saison könne zudem gezielt anhand von Proben ermittelt werden, ob ein Eingreifen nötig sei, das Mittel müsse also nicht in jedem Jahr eingesetzt werden. Es gehe schließlich nicht darum, die Mücken auszurotten, sondern lediglich darum, Extreme in der Population abzufedern.

Seit 40 Jahren ist BTI bereits im Einsatz, am Chiemsee etwa werden seit zwölf Jahren gute Erfahrungen mit dem Mittel gemacht, weiß Jünger. Selbstverständlich kann der Stoff jedoch nur dann Wirkung zeigen, wenn die Gemeinden in der ganzen Region an einem Strang ziehen. Stechmücken legen schließlich teilweise weite Strecken zurück und machen nicht an Ortsgrenzen halt. Der Gemeinderat in Wörthsee hat den Einsatz von BTI bereits genehmigt. Der Herrschinger Gemeinderat könnte diesem Beispiel in der Sitzung am Montag, 13. November, folgen. Die Biologen Norbert Becker und Carsten Brühl sind dort als Fürsprecher, respektive Gegner der Mückenbekämpfung durch BTI eingeladen, um das Gremium zu informieren. Bürgermeister Schiller jedenfalls zeigt sich bisher offen für den Einsatz von BTI. Auch die geringen Kosten, die umgerechnet auf die Bevölkerungszahl nur etwa 1,30 Euro pro Bürger entsprächen, überzeugten ihn.

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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