Landheim Schondorf:Befreit von Luxus

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Das Landheim Schondorf wird oft von Kindern begüterter Eltern besucht. Doch auf dem weitläufigen Schulgelände am Ammerseeufer setzen die Pädagogen bewusst auf Bodenständigkeit. Und eine Garantie fürs Abitur gibt es nicht

Von Sabine Bader, Schondorf

Um es gleich vorweg zu sagen: Wer im Internet die Preise für das Landheim Schondorf sieht, kommt leicht zu dem Schluss: Hier hat man es mit einer elitären Schule zu tun. Schließlich muss ziemlich gut verdienen, wer sein Kind nach Schondorf schickt. "Krass teuer", nennt es eine Schülerin. Soviel zur Einstimmung.

Aber zum Anfang: Es ist Mittwoch. Ein ganz normaler Schulvormittag. Besonders ortskundig muss nicht sein, wer nach dem 15 Hektar großen Landheim-Grundstück am Westufer des Ammersees sucht. Es ist einfach zu finden. Und es ist frei für jedermann zugänglich. Es ist ein Park, in dem verstreut rund 20 Gebäude stehen. Viele von ihnen sind alt, ein paar stehen unter Denkmalschutz. Mondän ist hier nichts. Eher bodenständig. Zumindest auf den ersten Blick sind es auch die Schüler. Sie stromern in Jeans und T-Shirt umher. Von Markenhörigkeit keine Spur. Klar ließen sich unter den 250 Jugendlichen sicher auch Gegenbeispiele finden, wie eben an jeder Schule. Doch das erklärte Ziel der Schulleitung ist ein anderes: "Wir befreien die Kinder ein Stück weit vom Luxus, den sie von zu Hause kennen", sagt Stiftungsleiter Rüdiger Häusler. Darum seien die Jugendlichen in den großteils betagten und erstaunlich schmucklosen Bauten auch "zweckmäßig einfach untergebracht". Es gibt großteils Zweibettzimmer.

Das Besondere am Landheim Schondorf sind nicht so sehr die Bauten. "Unser Schatz ist das Gelände mit seiner einzigartigen Lage", sagt Häusler. Der "Englische Garten Schondorfs", nennt man es zurecht auch. Ein kleiner Bach durchzieht das Areal. Es gibt eine große Steganlage mit Bootshäusern. Das Gelände ist verhalten gepflegt. Nicht nur der Gärtner tummelt sich hier mit seinen Helfern, auch die Schüler müssen Unkraut jäten. Und Christina Ingerfurth, die für Kommunikation zuständig ist, geht sogar noch weiter: "Die Umgebung ist ein Erziehungspartner", sagt sie. Es sei eben ein Unterschied, ob man "in einem Pausenhof eingesperrt" sei oder raus gehen könne in den Wald und an den See. Seit sechs Jahren ist Ingerfurth an der Schule, und sie kennt jedes der Kinder persönlich. "Man wächst eben so rein", meint sie dazu leichthin.

260 Kinder und Jugendliche besuchen die Grundschule oder eines der beiden Gymnasien im Landheim Schondorf. (Foto: Nila Thiel)

Überhaupt legt man in Schondorf großen Wert auf praktisches Arbeiten. So gibt es eine eigene Segelwerkstatt, eine Töpferei und eine Schreinerei, in der viele der Alltagsmöbel von den Schülern selbst gefertigt werden. Insgesamt ist von 30 Werkstatt- und Sportangeboten die Rede - auch Segeln und Rudern gehören dazu.

Luci Haslberger ist bereits seit der siebten Klasse in Schondorf im Internat, heute geht sie in die zwölfte und macht gerade Abitur. "Ich wollte hierher", sagt sie. Anfangs sei es ein wenig problematisch für sie gewesen. "Erstmals im Internat zu sein, ist einfach komisch", erinnert sie sich. Doch jetzt sei es bestens. Ein Vorteil am Internatsleben ist für sie auch, dass man seine Freunde gleich in der Nähe hat. "Natürlich gibt es in Schondorf auch ein paar Schnösel, aber die Allermeisten sind ganz normal und nett." Was die Abiturientin einmal werden will, weiß sie noch nicht so recht. Was Soziales könne sie sich als Studium schon vorstellen, sagt sie.

Rüdiger Häusler ist übrigens seit März dieses Jahres Stiftungsleiter in Schondorf. Ebenso wie der neue Schulleiter Matthias Bangert, der seit Anfang September hier ist, wohnt auch er mit seiner Familie auf dem Schulgelände. Die Mitarbeiter scheinen recht froh zu sein, dass mit den beiden neuen Chefs wieder Ruhe einzieht im Landheim. "Wir hatten eine Leitungskrise", räumen die beiden ein. Bangert und Häusler kennen sich bereits aus dem Schlossinternat Salem, wo sie gemeinsam arbeiteten. Und bereits dort sei man pädagogisch auf einer Linie gewesen, sagen sie.

Unter anderem in der Töpferkunst können sich die Schüler im Landheim Schondorf ausprobieren. (Foto: Nila Thiel)

Das Landheim besteht aus einer Grundschule und zwei Gymnasien. Das Ernst-Reisinger-Gymnasium ist staatlich anerkannt und hat einen neusprachlichen und einen wirtschaftlichen Zweig. Das Julius-Lohmann-Gymnasium ist zwar staatlich genehmigt und hat ebenfalls einen wirtschaftlichen Zweig. Es wird aber vor allem von Schülern besucht, die den erforderlichen Notendurchschnitt für den Gymnasialübertritt nicht geschafft haben; sie müssen eine externe Abiturprüfung ablegen.

Eine Garantie, Schondorf mit dem Abiturzeugnis in der Tasche zu verlassen, hat trotz aller Bemühungen keiner. Bisweilen müsse man den Eltern trotz des hohen Schulgelds von bis zu 3000 Euro monatlich auch sagen, dass die Stärken ihres Kindes nicht im Büffeln, sondern beispielsweise im handwerklichen Bereich liegen. Häusler legt auch Wert darauf, dass es etliche Stipendien im Haus gibt, durch die man sich bis zu 40 Prozent der Schulkosten sparen kann. "Die Möglichkeiten werden vergleichsweise wenig genutzt", sagt Häusler. Natürlich ist beiden Chefs bewusst, dass das Geld "der trennende Faktor" an der Schule ist. Laut Bangert ist das stattliche Schulgeld auch auf den großzügigen Personalschlüssel zurückzuführen. Denn im Landheim kümmern sich um die 250 Kinder und Jugendlichen 60 Pädagogen und Erzieher. "Dass dies teuer ist, lässt sich nicht wegdiskutieren", sagt Häußler.

Auch Kajakfahren zählt zu den Angeboten. (Foto: Nila Thiel)

"Wir wollen den Kindern schlicht die bestmögliche Bildung bieten", erklärt Bangert. Doch das ist nicht alles. Im Landheim gibt es auch einen Wertekodex, den Schüler und Lehrer gemeinsam erarbeitet und schriftlich fixiert haben. Er lässt sich zusammenfassen in den Begriffen Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit, Verantwortung und Aufrichtigkeit. Und man setzt auf Selbständigkeit. "Wir bauen den Kindern kein Amüsierprogramm, wir sind kein Club Méditerranée", sagt Häußler. Unerlässlich für das Zusammenleben in Schondorf sind natürlich auch klare Regeln. Das geht los mit der verbindlichen "Morgenfeier", die den Tag quasi gemeinsam einläutet, über Frühstück, Unterricht, Mittagessen mit den Mentoren, dem Sport- und Handwerksprogramm am Nachmittag, dem gemeinsamen Abendessen und nach Absprache den abendlichen Besuchen im Dorf. Besonders strenge Bettgehzeiten gibt es allerdings nicht: Je nach Jahrgangsstufe müssen die Schüler wochentags zwischen 19.30 und 22 Uhr im Haus sein.

Am Rande sei noch bemerkt, dass das Landheim Schondorf heuer eigentlich eine Schnapszahl zu feiern hat: sein 111-jähriges Bestehen. Aber der Konsum von Alkohol ist ja am Schulgelände nicht erlaubt.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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