Kunst:Auf der Netzhaut

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Der Dießener Fotograf Christoph Franke ist dem Wesen der Dinge auf der Spur. Und stellt die Natur auf den Kopf

Von Annette Jäger, Dießen/Planegg

Gleich rechts vom Eingang hängt das Herz. Die Baumkrone der vier eng beieinanderstehenden Linden mutet tatsächlich wie ein riesiges Herz an, denn der Baum steht auf dem Kopf - die Stämme ragen in die Höhe, die Baumkrone verjüngt sich zu einer Spitze am unteren Bildrand. Es ist eines der Bilder aus der Serie "Tree Crowns" des Fotokünstlers Christoph Franke. Die auf dem Kopf stehenden Bäume sind Teil der Ausstellung im Kunstsalon in Planegg, die einen Querschnitt von Frankes Schaffen zeigt. An diesem Freitag, 18. Januar, sind Besucher eingeladen, den Fotografen und seine Arbeit beim Künstlergespräch kennenzulernen. Veranstalter ist die Agentur "insachenkunst würmtal" in Kooperation mit der Volkshochschule Würmtal.

Franke, der lange Zeit im Würmtal gelebt hat und heute in Dießen am Ammersee wohnt, arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Foto- und Videodesigner für Unternehmen. Erst seit 2010 geht er verstärkt dem Impuls nach, künstlerisch zu arbeiten. Motive hat er all die Jahre gesammelt. Zum Beispiel für die Serie "Strange Places", die nun auch in Planegg zu sehen ist. Mystische oder auch skurrile Momente haben ihn bewogen, auf den Auslöser zu drücken. Die seltsame Straßenkreuzung etwa, die sich wie ein Geschmeide um einen Felsen zu legen scheint. Oder umgeworfene weiße und blaue Plastikstühle auf einer Terrasse.

Im Mittelpunkt der Planegger Ausstellung aber steht die Serie "Tree Crowns": blätterlose Winterbäume vor weißem Hintergrund, auf den Kopf gestellt. Mit den umgedrehten Bäumen fordert Franke die Sehgewohnheiten des Betrachters heraus. Die optische Irritation bewirkt eine neue Begegnung mit dem bekannten Objekt. Aus der Ferne wirken die Bäume wie menschliche Organe, durchzogen von einem Netz aus Blutgefäßen. Je weiter weg der Betrachter ist, desto mehr erinnern die Bilder an abstrakte Grafiken. Es ist erstaunlich, welch mächtige Wirkung allein die umgekehrte Darstellung hat: Laut Franke ist es auch die Art, wie die Bäume auf unserer Netzhaut abgebildet werden, bevor der Verstand sie umdreht.

Verstärkt werden diese Eindrücke durch die technische Präzision, mit der Franke arbeitet. Die Bäume nimmt er in bis zu 35 Einzelaufnahmen auf - "ich taste mich durch den Baum" - und fügt sie später am Computer zusammen. Durch die Segmentfotografie entsteht eine große Detailschärfe. Das liegt auch am mit Bedacht ausgewählten Papier: Franke druckt mit Pigmenttinte auf mattes Naturpapier aus Baumwolle. So entdeckt der Betrachter in den sich vielfach kreuzenden Ästen und Zweigen immer wieder neue Motive. Jedes Baumbild wird so zu einer "kleinen Meditation", sagte Franke. Es sind Bilder von großer ästhetischer Qualität. Franke hat in kurzer Zeit beachtlichen Erfolg mit seiner Kunstfotografie erzielt. Bei internationalen Fotowettbewerben, unter anderem in London und Tokio, wurden seine "Tree Crowns" mit Preisen bedacht, 2017 war er als Sondergast bei der "Photo 17", Münchens großer Werkschau für Fotografie, auf der Praterinsel, zudem 2018 bei Chinas größtem internationalen Fotofestival in Pingyao. In Paris vertritt die Galerie Dominique Charlet seine Werke.

In Planegg sind auch zwei seiner neuesten Arbeiten zu sehen. Während die Baumbilder durch ihre Schärfe bestechen, ist bei der Serie "Day Dream" die Unschärfe der Reiz. Franke spielt mit langen Belichtungszeiten und bewegt die Kamera dabei. Gar malerische Linien und Lichtreflexe entstehen und laden zum Tagträumen in Naturmotiven ein. Franke hat damit für sich selbst neue visuelle Welten aufgestoßen. Er ist beseelt vom philosophischen Ansatz der Fotografie, sagt er: auf die Realität zu blicken und sie in neuem Licht zu entdecken.

Das Künstlergespräch ist am Freitag, 18. Januar, 19 Uhr, im Kunstsalon Planegg, Pasinger Straße 10, statt (Karten 15 Euro). Die Schau ist zur Vernissage am Samstag, 19. Januar, 19 Uhr, zu sehen sowie am Donnerstag, 24. Januar, 19 Uhr, und dazwischen nach Vereinbarung an info@insachenkunst.de.

© SZ vom 18.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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