Kultur:Poltern, Grunzen, Brummen

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Georg Unterholzner liest mit musikalischer Unterstützung von Martin Regnat und Josef Kloiber ausgewählte Original­erzählungen des Dichters Oskar Maria Graf in ungeschöntem, derben Bairisch

Von Katja Sebald, Berg

Der Wahlkampf hat begonnen. Man merkt es schon seit einer Weile daran, dass Kommunalpolitiker öfter auf Kulturveranstaltungen anzutreffen sind. Auch die Berger Wählervereinigung "QUH" macht schon Wahlkampf - allerdings indem sie selbst Kultur veranstaltet. Am Donnerstagabend holte die Gruppierung, die sich "quer, unabhängig und heimatverbunden" auf die Fahnen geschrieben hat und eine Literaturübersetzerin als Bürgermeisterkandidatin ins Rennen schickt, das "Oskar Maria Graf-ical" nach Berg. Besser hätte es nicht passen können: Im Gasthof zur Post in Aufkirchen versammelte sich freilich nicht nur Kulturpublikum und die lokale Politprominenz, vielmehr saß praktisch ganz Berg einschließlich der Familie Graf im ausverkauften Postsaal.

Martin Regnat, Josef Unterholzner und Josef Kloiber (von links) gestalten das "Graf-ical": Eine Auswahl von Originalerzählungen, die durch selbst komponierte Lieder mit eigenen Texten zusammengehalten wird. (Foto: Georgine Treybal)

Georg Unterholzner, eigentlich Amtstierarzt und obendrein Krimiautor, zeichnete zusammen mit den beiden Musikern Martin Regnat und Josef Kloiber für das "Graf-ical" verantwortlich: Eine Auswahl von Originalerzählungen, die durch selbst komponierte Lieder mit eigenen Texten zusammengehalten wird. Der Abend in Aufkirchen war ein ganz besonderes Jubiläum: Der zwanzigste Auftritt fand endlich im Heimatort des Dichters statt.

Unterholzner hat die Texte zwar in gewisser Weise chronologisch zusammengestellt, aber er hält sich nicht mit Nacherzählungen auf. Er lässt Graf mit dem zu Wort kommen, was er am besten kann: Mit seinen absolut ungeschönten, deshalb oft derben, aber deshalb auch unvergleichlich lebendigen literarischen Porträts. Er lässt die vornehme Hoteliersgattin Anna Strauch auftreten und als Gegenbild die tiefgläubige bäurische "Bäckin", gefolgt vom versoffenen "Schmalzer Hans" und dem prügelnden Bruder Max.

Nach der Pause, die auch eine kluge dramaturgische Unterbrechung ist, kommt der Krieg, dem sich Graf durch Lachen und Befehlsverweigerung entzieht. Dann der erste schriftstellerische Erfolg, ausgerechnet mit jenem unsäglichen "Bayerischen Dekameron". Sehr viel Raum gibt Unterholzner dem Wiener Verleger für "erotische Belletristik", der bei Graf die deftigen Erzählungen bestellt und bar bezahlt. Die Mutter reist nach Rom, sie beklagt sich darüber, dass man als Papst ein gar so "mitterns Mannsbuild" ausgewählt habe. Graf reist nach Wien, beklagt sich, dass die NS-Schergen seine Bücher übersehen haben und fordert aus dem Exil "Verbrennt mich!". Er hat oft "furt miassn, aus Berg, aus Minga, aus Bayern".

Das ganz und gar unelegante Bairisch, das Unterholzner nach eigener Aussage "akzentfrei" spricht, gibt den Graf-Texten noch einmal so richtig Dampf. Bemerkenswert ist aber vor allem sein schauspielerisches Talent, sein Poltern, Grunzen, Brummen, Lispeln, dann sein weinerliches Greinen und aufgeregtes Tänzeln, wenn der alte "Kastenjakl" junge Mädchen begrapscht. Wirklich herausragend aber wird dieser Abend durch die feine Musikalität, mit der Regnat und Kloiber ihn umspannen. Beide haben einen "Migrationshintergrund" aus der Volksmusik. Ihr umfängliches und souverän bespieltes Instrumentarium reicht von einer Ukulele über eine Blockflöte und eine Steirische bis hin zur doppelhalsigen Kontragitarre, dazu zwei ausgesprochen schöne Männerstimmen und ein wundersames Miteinander zwischen Groove und Hmpfdada.

© SZ vom 14.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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