Kultur:Die Heimarbeiterin

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Bringt Farbe ins Heim: Rita Enzinger vor der VIP-Galerie "Insignis", mit der Theräs Reich die Hausterrasse verziert hat. Ganz links: Thomas Mann. (Foto: Arlet Ulfers)

Rita Enzinger aus Feldafing ist es gelungen, Ausstellungen und Vernissagen mit Lyrik und Musik im Garatshausener BRK-Schloss zu etablieren. Nun erhält sie dafür einen Anerkennungspreis

Von Katja Sebald, Feldafing/Garatshausen

Immer wieder versucht sie, von ihrer eigenen Person abzulenken. Sie spricht über Kunstwerke, Ausstellungen, Künstler, nur nicht über sich selbst. Sie bietet andere Interviewpartner an, hat sie sogar zum Treffen dazu gebeten. Danach schickt sie noch eine Email und dann noch eine SMS, in der sie weitere beteiligte Personen und Institutionen aufzählt. Vielleicht ist es deshalb kein Wunder, dass Rita Enzinger erst jetzt, nach fast drei Jahrzehnten, im Rahmen der Kulturpreisverleihung einen Anerkennungspreis des Landkreises Starnberg für ihr Projekt "Künstler für Senioren" im Kreisaltenheim Garatshausen erhält.

Angefangen hatte alles, als ihre eigene Mutter nicht im Altenheim bleiben wollte, weil sie sich vor dunklen Gängen fürchtete. Das war 1989, acht Jahre zuvor war Rita Enzinger mit ihrem Mann, ihren beiden Söhnen und der gemeinsamen Firma nach Feldafing gezogen. Um Kontakte zu knüpfen, hatte sie sich zunächst im Tennisverein angemeldet. 1983 war sie in Feldafing bereits bestens vernetzt und gründete mit anderen Mitstreitern den Kunstverein "Die Roseninsel". Sie selbst hatte nicht vor, Künstlerin zu werden, spielt allerdings Gitarre und singt. Aber sie bat ihre Künstlerfreunde, die dunklen Gänge mit Bildern zu schmücken. 17 Maler fanden sich bereit, der damalige Landrat Rudolf Widmann war ebenfalls begeistert und eröffnete die erste Kunstausstellung im Seniorenheim.

Die alteingesessenen Garatshausener allerdings waren noch lange nicht überzeugt von der rührigen "Zuagroasten", die auf einmal mit einer Ausstellung und anderen Aktivitäten bei ihrer 1250-Jahr-Feier mitmischen wollte. Enzinger aber ließ sich nicht beirren, überzeugte den Feldafinger Bürgermeister, den Gemeinderat und schließlich auch die Grantler und Nörgler.

Bei bunten Bildern in den Gängen sollte es nicht bleiben: Es kamen Skulpturen im Park dazu, Musik und Lyrik bei den Vernissagen. "Die Bewohner des Altenheims können nicht mehr aus dem Haus gehen und an Kulturveranstaltungen teilnehmen, da müssen wir eben die Kunst hierherbringen", sagt Enzinger. So einfach ist das also? Sogar das Sozialministerium wurde auf die völlig "neue Sichtweise in der Seniorenkultur" aufmerksam und lud die beispielgebende Rita Enzinger samt ihren Malern, Bildhauern, Dichtern, Vorlesern und Sängern bisher viermal zu Aufführungen ein.

Und damit nicht genug: Mit derselben Beharrlichkeit und Überzeugungskraft, mit der sie den in Pöcking lebenden Bildhauer Helmut Ammann zum Mentor und Ehrenmitglied des Kunstvereins "Die Roseninsel" gemacht hatte, holte Rita Enzinger nun auch Entscheidungsträger und vor allem Sponsoren mit ins Boot, sodass sie nun auch Wettbewerbe für die Künstler veranstalten kann, die ihre Arbeiten im Park ausstellen. 2014 vergab sie im Rahmen der Ausstellung "Metamorphosen" einen mit 4000 Euro dotierten ersten Preis.

Ganz nebenbei erzählt Rita Enzinger auch noch, dass sie seit 1990 einmal in der Woche nach Garatshausen kommt, um mit den Senioren zu singen. Und wenn sich der "Singkreis", der aus zwanzig bis dreißig Teilnehmern besteht, im Kaminzimmer trifft, dann wird auch über die ausgestellte Kunst diskutiert, die bei den älteren Herrschaften nicht immer auf ungeteiltes Wohlwollen stößt. Auch das ist Teil des Projekts: "Niemand hört den Senioren mehr zu", sagt Enzinger, "aber sie reagieren sehr stark auf die Bilder und Skulpturen und wollen natürlich auch darüber sprechen".

2008 hatte Enzinger den Vorsitz der "Roseninsel" niedergelegt, den sie seit 1996 innehatte. Nicht zuletzt, um mehr Zeit für ihr Projekt "Künstler für Senioren" zu haben, das nicht nur immer größer, sondern auch professioneller wurde. Ihr Alter möchte sie nicht in der Zeitung lesen, aber es sei doch verraten, dass sie einen Ruhestand längst verdient hätte. Auf die Frage, ob sie nicht ans Aufhören denkt, antwortet sie: "Das ist fast nicht möglich, es gibt noch so viel Enthusiasmus und Inspiration, mein Leben würde sehr verarmen." Natürlich sei es insgesamt viel, auch bei der "Roseninsel" ist sie im Hintergrund noch aktiv. "Aber ich habe ja Helfer", sagt sie. Und zählt nicht nur die anstehenden Jubiläen, künftige und vergangene Ausstellungen und Feiern auf, sondern auch alle Beteiligten.

Die Kulturpreise des Landkreises werden an diesem Dienstag vergeben, der Abend ist geladenen Gästen vorbehalten.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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