Kultur:"Das, wovon alle träumen"

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Der Ammerlander Pirmin Sedlmeir bringt das mobile Rumpel Pumpel Theater an den Starnberger See. Die Gäste dürfen sich auf einen haarsträubenden Krimi, talentierte Affen und Knalleffekte einstellen

Interview von Stephanie Schwaderer

Die Szene ist fast zu schön, um wahr zu sein: Vor dem Hof Luigenkam bei Holzhausen haben junge Leute einen wild bemalten Marktwagen abgestellt. Darin wuchern Pflanzen und Aktenordner, auf dem Dach liegt ein Krokodil. Ein Mann zupft eine Melodie auf einer Gitarre. Weiter hinten grasen dicke braune Schafe. Es ist die erste Probe des Rumpel Pumpel Theaters auf bayerischem Boden - und für den aus Ammerland stammenden Schauspieler Pirmin Sedlmeir eine angemessene Art, nach Hause zurückzukehren.

SZ: Herr Sedlmeir, der Neffe von Christian Tramitz zu sein - ist das ein Segen oder ein Fluch?

Pirmin Sedlmeir: Ein Segen! Seit ich denken kann, war er mein cooler Onkel. Er ist mit uns zum Fischen und Pilzesammeln gegangen; er war die Stimme des Cowboys Colt in der Zeichentrickserie Saber Rider, und spätestens seit der Bullyparade wussten alle, wie lustig mein Onkel sein kann.

Ihr Bruder, Paul Sedlmeir, gehört auch zum Stammteam der ARD-Serie Hubert und Staller, in der Ihr Onkel eine Hauptrolle spielt. Beneiden Sie ihn?

Nein, ich gönne ihm seinen Erfolg von Herzen. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Das erste Mal habe ich meinen Bruder im Schultheater im Kloster Schäftlarn auf einer Bühne erlebt. Romeo und Julia. Damals wurde mir klar, dass ich das auch machen wollte. Außerdem konnte er schon immer gut Leute nachmachen - und so habe ich ihm das Nachmachen nachgemacht.

Trotzdem haben Sie zunächst eine Brauereiausbildung begonnen, warum?

Ich war an zwei Schauspielschulen in der letzten Runde rausgeflogen. Aber mein Herz schlug noch immer fürs Theater. Irgendwann hat mein Meister gesagt: Du musst dich entscheiden - Brauen oder der Schauspielschmarrn. Ich hab den Schauspielschmarrn gewählt. Bei der nächsten Prüfung in Berlin hat es dann geklappt.

Ihr Rumpel Pumpel Theater wirkt wie ein Gegenentwurf zu allem, was Mainstream ist.

Es ist das, wovon vermutlich alle Schauspieler träumen: Mit der eigenen Truppe durch die Welt ziehen und eigene Sachen machen. Die Idee entstand 2016 an einem Abend in Oldenburg. Lisa Jopt, Robert Gerloff, Johannes Lange und ich hatten die Vision von einem fahrenden Wagen. Wir stellten einen 25-Punkte-Plan auf, was ein solches Theater können müsste.

Was stand da so drauf?

Zum Beispiel, dass es Knall, Puff, Peng machen muss. Dass ihm ein Banküberfall zuzutrauen ist. Und dass es einen Affen braucht.

Die Premiere des Stücks "Loli Jackson auf der Suche nach dem Sinn von allem" fand in Bochum statt. Wie kam es bei den Leuten an?

Sie haben es geliebt. Wir haben an zehn verschiedenen Orten in der Stadt gespielt, beim Jobcenter Wattenscheid und beim Hannibal Einkaufscenter - und jede Vorstellung war wie eine Premiere, weil das Publikum jedes Mal ganz anders reagiert hat. Wir hatten unser Konzept 2017 Olaf Kröck, dem Interimsintendanten des Bochumer Schauspielhauses, vorgelegt. Er fand es super, weil er früher als erwartet aus dem großen Haus rausmusste. Deshalb gab er uns den Zuschlag für eine Straßentheater-Produktion. Wir kauften das Rumpel - einen Marktwagen Baujahr 1968, den wir nach unseren Vorstellungen und denen unseres Bühnenbildners Max Lindner umbauen ließen.

Mit ihm bringen Sie das Theater unters Volk?

Ganz genau! Das macht den Reiz aus. Uns haben in Bochum Leute zugeschaut, die sonst niemals in eine Vorstellung gehen würden. Manche saßen im Auto, andere auf dem Balkon. Ein Typ, den wir beim Jobcenter Wattenscheid getroffen haben, hat uns erklärt, dass ihn keine zehn Pferde in ein Theater bringen würden. Wir sagten: Komm vorbei, schau's dir an. Und dann stand er mit feuchten Augen in der ersten Reihe und hat nicht mehr aufgehört zu klatschen. Manche Fans sind uns hinterhergefahren. Sie haben gesagt: Wir sind jetzt zum fünften mal da und haben unsere ganze Familie mitgebracht. So etwas erlebt man in keinem etablierten Theater.

Worum geht es in dem Stück?

Ohne zu viel zu verraten: Es geht um eine erfolgreiche Affenagentin, um einen Dieb mit einem besonderen Faible, um einen Privatdetektiv, der halb Mensch und halb Tier ist, und um die Entdeckung eines Stars. Wir sind drei Schauspieler und übernehmen alle mindestens zwei Rollen.

Wo ziehen Sie sich um?

Hinter dem Rumpel, aber das wird noch spannend. In Bochum hatten wir Ankleiderinnen. Hier sind wir erstmals auf uns selbst gestellt. Hilfe bekommen wir vor allem von unserer Produktionsleiterin Franziska Bald, ohne die hier gar nichts rumpeln würde.

Und wo sitzen die Zuschauer?

Auf Stühlen und Bierbänken, man darf sich gerne selbst eine Sitzgelegenheit mitbringen. Oder auch einen Regenschirm. Wir spielen bei jedem Wetter. In Bochum sind wir einmal vor nur 16 Leuten aufgetreten. Bei der letzten Vorstellung waren es dann fünfhundert.

Klingt fast wie Zauberei.

Die Menschen haben Freude daran, wenn Künstler Fantasieräume ausdehnen. Das ist, was wir machen, das ist, was wir können. Und damit erreichen wir viele verschiedene gesellschaftliche Schichten.

Öffentliche Generalprobe am Freitag, 21. Juni, Sailer am See, Ammerland, Eintritt frei; weitere Vorstellungen am 22./23. Juni im Bahnwärter Thiel, München; 20. Juli Brimbamborium, Eurasburg; 18. August Schlossgut Oberambach; Beginn jeweils 20 Uhr; Infos unter www.rumpelpumpel.com

© SZ vom 21.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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