Krimikimödie:Pfeifende Gauner

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Der Polizist Cristi (Vlad Ivanov) ist korrupt, er lässt sich auf Geschäfte mit der Mafia ein - und bekommt von ihr eine Lektion erteilt. (Foto: Vlad Cioplea/Alamode)

"La Gomera" heißt der Film des rumänischen Regisseurs Corneliu Porumboiu - ein kurioses Puzzle mit staubtrockenem Humor

Von Gerhard Summer, Gauting

In diesem kuriosen rumänischen Krimi kommen fast nur Schurken vor, doch der größte Gauner von allen ist ihr Erfinder: Regisseur Corneliu Porumboiu verlegt sich in "La Gomera" darauf, seinen Plot lustvoll auseinander zu reißen, zu verschachteln, Hinweise zu verstecken und mit kleinen Coups Verwirrung zu stiften, bis endlich der Showdown naht. Zwischendrin erschießt die Drogenmafia einen Filmemacher, der sich ihren Treffpunkt, eine alte Fabrikhalle, als Drehort ausgucken will. Und am Ende schneidet der singende Chef des Hotels "Opera" plötzlich einem Polizisten die Kehle durch.

Porumboius kühnster Idee verdankt der Film seinen englischen Titel "The Whistlers". Drogenfahnder Cristi, korrupt wie alle anderen Polizeibeamten, soll auf der Insel La Gomera die dort tatsächlich noch gebräuchliche Pfeifsprache El Silbo lernen, damit er sich mit den Bösewichten bei der Befreiung des Geldwäschers Zsolt aus dem Knast verständigen kann, ohne gleich wieder abgehört zu werden. Was für ein Einfall! Es geht um 30 Millionen Euro, die Zsolt, ebenfalls ein Opernfan, beiseite geschafft hat. Und die Mafia lässt sich wochenlang Zeit, um einem Polizisten mit einer wundersamen Schautafel und zwei Lehrern mal nett, mal grob das Pfeifen beizubringen, auf dass er seine Botschaften im Bukarester Großstadtlärm von Dach zu Dach trällere, und zwar auf rumänisch. Schräger geht's kaum noch. Hat denn die Mafia gar keine Hightech-Geräte mehr?

Klar, es gibt so etwas wie eine Erklärung für El Silbo. In Bukarest werden alle bespitzelt. Im Polizeibüro, in Privatwohnungen, im Hotel gibt es Überwachungskameras und Wanzen. Bei zwei Autofahrten durch den Wald könnte man fast meinen, auch die hoch aufragenden Bäume links und rechts der Straße seien so etwas wie riesige Richtmikrofone. Und weil Porumboiu einen so trockenen Humor hat, dass es staubt, beschäftigen sich ausgewachsene Mörder eben grotesk ernsthaft mit Pfeifübungen. Die witzigste Szene dieser Art: Cristi, die schöne und polyglotte Gilda (Catrinel Marlon) und einer der nur spanisch sprechenden Ganoven stehen verteilt auf den Bergen von La Gomera. Und der Drogenfahnder muss in der Abschlussprüfung eine Nachricht auf rumänisch pfeifen, die Gilda ins Spanische übertragen weiter fiept. Das wäre fast genauso, als würde ein James Bond das Jodeldiplom machen.

Cristi ist ohnehin ein Antiheld und eine Pfeife. 98 Minuten lang stakst er mit gefrorener Miene durch die Handlung, trotzdem hat diese von Vlad Ivanov hübsch undurchsichtig gespielte Hauptfigur was. Einmal versteckt er die 50 000 Euro, mit denen er sich von Zsolt bestechen ließ, im Keller seiner Mutter unter einem Glas. Als Mama aufräumt, findet sie das Bündel und spendet alles an die Kirche. Was noch gar nicht so schlimm wäre. Aber der Pfarrer bekommt es mit der Polizei tun, weil er das Geld auf einen Schlag auf die Bank bringt. Und sagt den Ermittlern die Wahrheit. Ausgerechnet! Cristi bekommt zum Trost eine Ikone vom Priester geschenkt, muss vorher noch bei Mama nachfragen, wo in der Wohnung er das Ding aufhängen soll, und windet sich wieder irgendwie heraus.

Im Endeffekt kann man diesen Krimi mit Anklängen an den Film Noir erst im Nachhinein genießen, weil man die erste Stunde damit beschäftigt ist, das Handlungspuzzle zusammenzufügen. Und die angeblichen Bezüge auf die Filmhistorie müssen gut versteckt sein. Kritiker haben Zitate aus Werken von Orson Welles, John Huston und Neil Jorden entdeckt. Wirklich offensichtlich sind aber nur die Parallelen zu Bates Motel und der Duschszene in "Psycho". Ist das schlimm? Nein, kann man drauf pfeifen.

© SZ vom 13.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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