Krailling:Reiseskizzen mit zartem Strich

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Mit zwei Ausstellungen würdigt Krailling das Schaffen von Hans-Ulrich Schmidt zu seinem 95. Geburtstag

Von Katja Sebald, Krailling

Er habe das Malen "nicht als Hobby und nicht als Leidenschaft, sondern aus Besessenheit" betrieben, bekannte Hans-Ulrich Schmidt am Donnerstag im Sitzungssaal des Kraillinger Rathauses. Zu seinem 95. Geburtstag hat ihm seine Heimatgemeinde - wie schon vor fünf Jahren - eine Ausstellung gewidmet. Aus seinen insgesamt mehr als 2500 Aquarell-Reiseskizzen ist jetzt eine Auswahl zum Thema "Kirchen und Stadtansichten" zu sehen. "Dass ich so ein Leben erleben durfte, dafür bin ich dankbar", sagte Schmidt, der seit einigen Jahren im Caritas-Altenheim in Krailling lebt. Sieht man sich allein die Orte an, die der Architekturprofessor im Ruhestand mit seiner mittlerweile verstorbenen Frau bereiste, dann kann man sich vorstellen, dass es ein reich erfülltes Leben war: Die Silhouetten fast aller deutschen Städte hat er mit zarten, aber dennoch sicheren Pinselstrichen aufs Papier gebannt.

Bereits vor fünf Jahren war das Schaffen von Hans-Ulrich Schmidt (re.) mit einer Ausstellung gewürdigt worden. (Foto: Georgine Treybal)

Während er sich auf die Topographie des jeweiligen Reiseziels vorbereitet habe, um auch wirklich den schönsten Standort zum Malen zu finden, habe seine Frau sich mit der Geschichte des jeweiligen Ortes beschäftigt, die sie dann, während des Aquarellierens geduldig neben ihm sitzend, zu referieren wusste. Aber nicht nur Deutschland bereiste das Ehepaar, sie waren auch in Italien, in Istanbul, in Athen und auf den griechischen Insel, wie die vielen, nach den jeweiligen Orten zusammengefassten Skizzen beweisen. Für Korfu etwa wählte Schmidt einen ebenso weiten Blick wie einst der berühmte Landschaftsmaler Carl Rottmann. In Regensburg hingegen setzte er sich mit Blick auf den Dom ans Donauufer. Die weitaus größte Faszination aber habe die Stadt Venedig auf ihn ausgeübt, berichtete Schmidt: In acht Tagen seien dort mehr als vierzig Bilder entstanden.

Hans-Ulrich Schmidt hatte seine Frau in der unmittelbaren Nachkriegszeit kennengelernt. Sie verzichtete für ihn auf das geplante Geschichtsstudium und begleitete ihn nach seinem Studium der Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt nach München, Ansbach und Würzburg, wo er im Staatsdienst der Bayerischen Staatsbauverwaltung in verschiedenen Positionen tätig war - zuletzt als leitender Ministerialrat bei der Obersten Baubehörde für den Aufgabenbereich Städtebau und Städtebauförderung. Schmidt lehrte auch an der Fakultät für Architektur an der TU München und wurde dort 1985 zum Honorarprofessor ernannt. Seine Zeichnungen und Aquarelle, die auf vielen Reisen nach Mittel- und Südeuropa, Nordafrika und Amerika entstanden, waren in früheren Jahren unter anderem in der Technischen Universität und in der Obersten Baubehörde ausgestellt. Jetzt konnte aus den Beständen parallel zur Ausstellung im Rathaus noch eine weitere mit Bildern aus der näheren Umgebung im Caritas-Altenheim bestückt werden.

Er sei ein Glückskind, an einem Sonntag des zweiten Weihnachtsfeiertags geboren, das habe ihm schon seine Mutter immer gesagt. "Dass ich heute hier sitze, hatte aber mehrere Zufälle", wusste Schmidt im launigen Plauderton zu erzählen - und dann holten ihn Erinnerungen aus der Kindheit, dem Krieg und der Gefangenschaft ein. Die schönste Erkenntnis dieses Abends aber war vielleicht, dass man auch im hohen Alter noch Freunde finden kann: Viele Mitbewohner aus dem Altenheim waren zur Vernissage gekommen und ein "Maler- und Architektenkollege", den er dort kennengelernt hat, brachte eine Portraitskizze von Schmidt mit erhobenem Zeigefinger mit: "Also sprach der Professor", so hatte er dieses Bild genannt - und so war es auch am Vernissagenabend.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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