Krailling:Musikalisches Gezänk

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Auf dem Kult-Art Festival mit dabei waren am Wochenende auch die Geschwister Well - drei Weiblein, drei Männlein. (Foto: Thiel)

Die Geschwister Well füllen das Zelt beim Kult-Art-Festival. Und die Zuschauer amüsieren sich königlich

Von Blanche Mamer, Krailling

Es ist halb Acht am Samstagabend: Noch während sich das große Zelt auf dem Kraillinger Kult-Art-Festival langsam füllt, sitzt Christoph Well auf der Bühne und stimmt seine Instrumente. Ganz versonnen lauscht er auf die einzelnen Klänge des Hackbretts und lässt sich auch durch den Geräuschpegel im Publikum nicht aus der Ruhe bringen. Kaum vorstellbar, dass er sich eine knappe halbe Stunde später einen wütenden Schlagabtausch mit seiner Schwester Moni liefern wird. Als Kleinkind im Laufstall habe sie ihm den Schürhaken über die Nase gezogen, die Narbe sei immer noch sichtbar, die seelischen Narben auch nach mehr als 50 Jahren nicht verheilt.

Es ist eine Wonne, dieses Gezänk! Bei 15 Kindern muss es ja krachen und es hat wohl auch oft gekracht in der Familie des Volksschullehrers Hermann Well aus Günzlhofen bei Fürstenfeldbruck. Seit viereinhalb Jahren treten sechs der Geschwister Well in dieser Formation auf, am Samstag erstmals in Krailling, man kennt sie aber bereits aus anderen Zusammensetzungen. Nun sind sie also da: die beiden von der ehemaligen Biermösl Blosn, Christoph "Stofferl" (Nummer 14 der Geschwisterreihe) und Michael (Nummer 13), die Wellküren-Schwestern Bärbi (Numero 11), Burgi (8) und Moni (15) sowie Bruder Karli (12). Sie sind leicht ergraut mittlerweile, doch fröhlich, streitsüchtig, politisch unkorrekt, mitreißend kreativ und musikalisch unnachahmlich gut.

Kurz zurück zum Schürhaken: 1962 soll laut Familienhistorie die eineinhalb-jährige Moni, das Nesthäkchen, zur schweren Waffe gegriffen haben, was Stofferl nur knapp überlebt haben soll. Wie ein blutig roter Faden zieht sich diese Geschichte durch das Programm "Fein sein, beieinander bleibn". Nach und nach werden sechs verschiedene Versionen des einschlägigen Erlebnisses erzählt, das tief gehende Traumen nach sich zog und wohl nie endgültig geklärt werden wird. Und wenn der Worte zu viel werden, wird der Streit mit per Musikinstrumenten ausgetragen. Da liefert sich Stofferls Trompete einen Zweikampf mit Monis Saxofon, wobei Michis Tuba nur kurz Ruhe hineinbringt. Macht Stub'nmusi, habe die Mutti immer geraten, das helfe in jeder Lebenslage, auch beim Verhüten. "Die müssen's ja wissen", kommentiert Burgi. . . Ziemlich viel Persönliches lockert das politische Programm auf. Beispielsweise die Story über den Ex-Mann von Moni, der vor allem durch sein Harley-Fahren und auf der Couch flacken erinnert wird. "Da Deifi soin' hoin", kreischt Moni zu den Klängen des ACDC-Krachers "Highway to Hell", schließlich qualmt sogar das Hackbrett. Geheiratet hat sie den Deppen nur, "weil ich dich nicht mehr ertragen konnte und raus wollte von daheim", schreit sie Stofferl entgegen. Der Spott trifft. Für Michael ist es derweil wichtig zu begründen, warum der Auftritt in der Provinz Krailling als Probe betrachtet wird. Zwei große Events stehen an, die Goldene Hochzeit des Seniors des global Players Rupp Rohre Rohrbach und die kirchliche Trauung von Lafontaine mit Sahra Wagenknecht durch Bischof Marx. Und dann sie Auftritte in Übersee, zuerst in Texas beim Cultural Oktoberfest in San Antonio, (klingt wie Sanatoriumswiese) und gesponsert wird von einem amerikanisch-deutschen Weißwurstproduzenten, einem Joint-Venture Schubeck / Uli Hoeneß. Und dann geht's weiter zu den Kulturtagen nach Shanghai, gesponsert von besagter Firma "Rupp Rohre Rohrbach". Grundsätzlich muss man sehen, dass sich alles und doch nichts geändert hat. Das Feindbild ist zwar immer noch CSU-geprägt, was die christsozialen Kraillinger nicht abhält, sich königlich zu amüsieren.

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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