Krailling:Jeder ist gefordert

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Die Zeltunterkünfte in Berg stehen und sind eingerichtet. Allerdings verschiebt sich die Ankunft der Flüchtlinge auf September oder Oktober. (Foto: Georgine Treybal)

Landrat Karl Roth zieht Containerdorf für Flüchtlinge den Zelten vor. "Das verspricht einen besseren Wohnfrieden", glaubt der Kreisbaumeister

Von Christiane Bracht, Krailling

Das Thema Asyl bewegt die Menschen. Viele machen sich Sorgen: Wie wird das Zusammenleben mit so vielen Fremden? Wo sollen diese hin? Ist Integration überhaupt möglich, wenn die Flüchtlinge in Sammelunterkünften auf einer grünen Wiese abseits vom Ort leben? Gleichzeitig wollen viele helfen, wissen aber nicht genau wie. Und so ist es kein Wunder, dass die Leute in Scharen kommen, wenn irgendwo eine Infoveranstaltung angekündigt wird. In Berg, wo jetzt eine Zeltstadt steht, musste Rathauschef Rupert Monn sogar zwei Mal zu den Bürgern sprechen, damit alle seine Worte hören konnten. Und auch in Krailling war das Interesse am Montag riesig: Mehr als 300 Bürger drängten in die hoffnungslos überfüllte Turnhalle der Grundschule. Nicht alle schafften es hinein und viele mussten zwei Stunden stehen, andere suchten sich ein Plätzchen auf dem Boden, denn die Stühle reichten bei weitem nicht. Bürgermeisterin Christine Borst zeigte sich überrascht von dem Ansturm, schon weil die geplante Zeltstadt auf der Sanatoriumswiese kurz zuvor abgesagt worden war. Wie berichtet, werden die Zelte jetzt in Pöcking errichtet.

"Der Druck auf den Landkreis ist so groß, dass wir ausweichen mussten", erklärte Landrat Karl Roth. Das Legen der Anschlüsse hätte in Krailling zu lang gedauert. Jede Woche kommen momentan 39 Flüchtlinge in den Landkreis. 720 sind bereits da, weitere 550 erwarte man noch bis zum Ende des Jahres - zumindest wenn die Prognose von 800 000 Neuankömmlingen stimme. "Aber hinter vorgehaltener Hand spricht man schon von mehr", sagte Roth. Dennoch: Weitere Turnhallen will er nicht belegen. "Damit tun wir den Schülern und Sportlern nichts Gutes." Die Erstaufnahme in der Inninger Turnhalle werde gerade zum zweiten Mal belegt, doch wenn die knapp 200 Flüchtlinge registriert und gesundheitlich untersucht sind, werde die Notunterkunft dort geschlossen. Und die Turnhalle in Weßling werde Ende November wieder frei, wenn die erste Containeranlage in Herrsching steht. Insgesamt 140 Asylbewerber sollen dort untergebracht werden. Auch Seefeld hat am Dienstag beschlossen, ein Containerdorf in Hechendorf aufzubauen. In Gilching ist eine Traglufthalle für 200 Flüchtlinge auf dem Festplatz geplant, denn auf dem Areal darf nicht gebaut werden. In der ersten Zeltanlage in Tutzing sind bereits 128, selbst in der kleinsten Gemeinde des Fünfseenlands in Andechs sollen schon bald 96 Asylbewerber sein. Nur in Krailling sind momentan lediglich 15. Aber auch dort will der Landkreis demnächst eine Containeranlage für 120 Flüchtlinge einrichten.

"Wenn möglich, sollen die Zelte in Tutzing, Berg und Pöcking die einzigen im Landkreis bleiben", erklärte Roth am Montag. Zwar sind diese winterfest, aber bis zu 20 Leute leben dort in einem Raum, in den Containeranlagen sind es dagegen nur drei bis vier. "Das verspricht einen besseren Wohnfrieden", sagte Kreisbaumeister Christian Kühnel. "Die Container sind keine Baustellencontainer, sie sind mit dicken Wänden gedämmt und werden wie kleine Wohnungen zweigeschossig aufgestellt." Maximal sechs Personen leben in einer Wohngruppe und teilen sich eine Kochzeile und ein Bad. Kleine Innenhöfe mit Kinderschaukeln und Büschen sollen angelegt werden. Sozialcontainer und Waschmaschinen sind ebenfalls geplant. Anders als in den Zeltstädten sind in den Containerdörfern auch keine Betreuer nötig.

Der Kraillinger Gemeinderat müsse nur noch Platz für eine solche Anlage finden, appellierte Roth an die Verantwortlichen. Ende September wird die Standortfrage nun Thema im Gremium sein. Die Sanatoriumswiese dürfte trotz der hohen Erschließungskosten von rund 300 000 Euro dann noch nicht vom Tisch sein, denn anders als vor zwei Tagen wurde die Summe am Montag nicht als großes Problem angeführt.

Mehrere Kraillinger wünschten sich in der Versammlung eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge im Ort, schon um diese besser integrieren zu können. Einer schlug die Sanftlwiese und das Schabernackareal als Standort vor. Private Grundstücke kämen jedoch nicht in Frage, nur öffentliche, sagte Kühnel. Ein anderer plädierte dafür die Sozialwohnungen an der Margaretenstraße abzureißen und die Container dort zu platzieren. Doch auch dem erteilte der Kreisbaumeister eine Absage: Das blockiere den Platz, der für ein Betreutes Wohnen vorgesehen war und dafür gebe es auch schon Wartelisten. "Die eigenen Leute sind ja auch noch da", erinnerte Borst. Leicht werde es nicht, aber der Landkreis müsse den Spagat zwischen bedürftigen Einheimischen, den Jugendlichen, die sich die Mietpreise im Fünfseenland nicht leisten können und deshalb weggehen, und den Flüchtlingen schaffen, so Roth.

"Das Konzept, die Flüchtlinge in kleineren Einheiten unterzubringen, können wir so nicht mehr fortführen. Wir haben nur drei Hausmeister. Das ist nicht mehr praktikabel", erklärte Kühnel. Zudem genehmige die Regierung von Oberbayern nur noch Unterkünfte, die nicht mehr als 300 Euro pro Person kosten, gab Roth zu bedenken. Borst rief die Bürger auf, zu helfen, vielleicht sogar Flüchtlinge selbst aufzunehmen. 62 Kraillinger boten spontan ihre Hilfe an.

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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