Krailling:Fremde Blicke

Lesezeit: 2 min

In der Ausstellung "Schau in meine Welt" stellen Flüchtlinge ihre künstlerischen Arbeiten im Rathaus Krailling aus

Von Carolin Fries, Krailling

Sadeka Elnas hat Humor. Im Steckbrief hat das Mädchen in die Zeile "Alter:" geschrieben: "Sage ich manchmal!" Und auch ihr Selbstporträt strahlt eine Fröhlichkeit aus, zeigt es doch ein Mädchen mit schwarzen Haaren, rotem Kussmund und geröteten Wangen in einem leuchtend gelben T-Shirt. Erst, wenn man die weiteren Angaben zu dem Bild liest, wird klar: Das Mädchen muss Schlimmes erlebt haben in ihrem Heimatland Afghanistan, aus dem sie geflüchtet ist. So möchte sie dort zwar wieder hin, aber "nur zum besuchen", wie sie im Steckbrief schreibt. Was ihr außerdem wichtig ist? "Dass ich immer Note 1 bekomme."

Die Ausstellung "Schau in meine Welt", die noch bis zum 19. Juli im Kraillinger Rathaus zu sehen ist, versammelt Bilder von 28 Künstlern zwischen sieben und 42 Jahren. Die meisten von ihnen sind Asylbewerber, etwa 140 Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan und Somalia leben seit 2016 in einem Containerdorf am Ortsrand. "Nach der Flucht stehen die Familien, Mütter, Kinder und jungen Männer vor vielfältigen Herausforderungen", weiß Agnes von Rogister-Nerger vom Helferkreis Asyl. Neben dem Lernen einer neuen Sprache gilt es einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeitsstelle zu finden, schließlich eine eigene Wohnung. Vor allem aber muss der Alltag in einer fremden Kultur bewältigt werden. Zu einem Ort der Entspannung ist vielen Bewohnern der Container das samstägliche Begegnungscafé geworden. Dort bietet das Kreativ-Team um Agnes von Rogister-Nerger, Isabel Antoni, Margit Sommer und Simone Erbeck Kindern und Erwachsenen die Möglichkeit, sich mit verschiedensten Materialien und Techniken auszuprobieren.

28 Kraillinger zeigen im Rathaus ihre Werke. Darunter viele Selbstporträts wie das von Irmela Bayer. (Foto: Nila Thiel)

Irgendwann stand die Idee einer Ausstellung im Raum. Selbstporträts und Steckbriefe sollten nicht nur die Kunst, sondern auch den menschlichen Hintergrund der einzelnen Bewohner vermitteln. Auch einige Helfer und Gäste haben sich an der Aktion beteiligt, so dass sich in den Steckbriefen schnell Unterschiede festmachen lassen. Während die Helfer sich etwa "ein friedliches Miteinander", "fröhliche Gesichter" oder "dass es so schön weitergeht" wünschten, stand bei den Flüchtlingen auf der Wunschliste: "Keine Briefe mehr von der Regierung" oder "eine neue Heimat finden".

Nicht alle haben Porträts gemalt, auch Landschaften und Häuser aus der Erinnerung an die alte Heimat aufs Papier gebracht. "Die Vergangenheit taucht immer wieder auf", sagt Rogister-Nerger. "Und auch, wie verschieden wir sind."

Andererseits werden auch Gemeinsamkeiten deutlich. So sind einige Flüchtlinge mit einer Einwegkamera losgezogen, um bildlich festzuhalten, was ihnen wichtig ist. Die Fotokollagen zeigen überwiegend Landschaften, "ich bin beeindruckt, wie viel Schönheit fotografiert wurde", sagt Rogister-Nerger. Aber auch neue Freunde und Helfer sind zu sehen. Eine Mutter hat alle 24 Bilder von ihrem Sohn gemacht.

1 / 3
(Foto: Nila Thiel)

Hamid...

2 / 3
(Foto: Nila Thiel)

...und Elnas Sadeka...

3 / 3
(Foto: Nila Thiel)

...gehörten ebenfalls zu den Ausstellenden.

Die Frauen vom Kreativ-Team wünschen sich, dass die Bilder und Steckbriefe Anknüpfungspunkte für Gespräche sind. Dass Interesse an der Geschichte der Flüchtlinge geweckt wird. Bei der Vernissage ist das laut Agnes Rogister-Nerger bereits gelungen. "Es gab bewegende Momente."

"Schau in meine Welt", Ausstellung im Kraillinger Rathaus, bis 19. Juli, geöffnet zu den Geschäftszeiten der Rathausverwaltung

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: