Krailling:Der Pragmatiker

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Günther Borst hält sich aus der Gemeindepolitik heraus

Von Christiane Bracht, Krailling

Seit fast acht Jahren sitzt Christine Borst fest im Chefsessel des Kraillinger Rathauses, bemüht sich die Würmtalgemeinde für die Zukunft zu wappnen, ringt mit Gemeinderäten und Bürgern um politische Lösungen, hält Reden zu den verschiedensten Anlässen, gratuliert und repräsentiert. Manchmal steht sie fast rund um die Uhr im Lichte der Öffentlichkeit. Den Mann an ihrer Seite sieht man jedoch nur selten. "Das ist nicht so meine Welt", sagt Günther Borst. "Es ist der Job von meiner Frau."

Er ist seit 30 Jahren in der Entsorgungswirtschaft tätig, kümmert sich darum, dass die Sonderabfälle ordnungsgemäß entsorgt werden, besucht seine Kunden in ganz Bayern, große und auch kleine Industriebetriebe, die giftige Abfälle haben. Oder er verhandelt mit Behörden, denn für seine Kunden braucht er "zig Genehmigungen". Und so ist er viel unterwegs. Für repräsentative Termine in Krailling hat Günther Borst keine Zeit - abgesehen davon, schätzt er diesen sehr geselligen Aspekt am Beruf seiner Frau auch nicht besonders. "Ich muss das nicht haben. Ich halte mich da raus. Wenn ich soll und muss, gehe ich aber mit", sagt er. Das sei schon früher so gewesen, als seine Frau noch nicht im Rathaus war, sondern als Kulturmanagerin ihr Geld verdiente.

Auch da stand sie schon in der Öffentlichkeit. "Das ist ihre Welt", weiß Günther Borst. Er habe kein Problem damit, dass überall nur sie im Mittelpunkt steht, sagt er. Seit sie Bürgermeisterin ist, ist dies zwar noch mehr geworden, aber die Politik ist ihm trotzdem lieber als die Kultur. "Ich kann mit Kultur nicht so viel anfangen", gesteht er. "Ich brauch' kein Theater und keine Musik." Selbst zum Kult-Art-Festival, das Christine Borst Anfang der 2000er Jahre initiiert und im Laufe der Jahre zu einem großen Publikumsmagneten im Würmtal ausgebaut hat, kommt er nur selten. "Ich bin immer nur mitgegangen, wenn meine Frau Unterstützung gebraucht hat, etwa bei der Technik, beim Stühle aufstellen oder mit den Getränken", sagt er. Gelegentlich sah er dann auch eine Show.

Politik gefällt Günther Borst besser. Das ist handfester. Damit kann er mehr anfangen. "Ich bin Pragmatiker", sagt er von sich selbst. Aber bei Gemeinderatssitzungen, Bürgerversammlungen oder Ortsentwicklungsplanungen sieht man ihn auch nie. "Ich verfolge das Ganze aus der Ferne", erklärt Günther Borst. Lange Diskussionen sind nämlich auch nicht sein Ding. Gelegentlich unterhalte er sich mit seiner Frau über aktuelle Themen, die sie beschäftigt - meist am Frühstückstisch, "aber ich mische mich nicht ein. Da habe ich auch gar keinen Einblick", sagt er. Er würde auch nie ins Rathaus gehen und den Mitarbeitern erzählen, was sie zu tun haben, versichert er. "Ich habe nicht die Zeit, mich darum zu kümmern." Es sei vielmehr so, dass er seine Frau beruhige und ihr die "Realität vor Augen" führe, wenn sie sich aufrege. "Ich sage ihr dann: Du bist der Manager der Gemeinde. Du musst schauen, dass der Laden läuft, aber wenn die Aktionäre, also die Bürger, etwas anderes wollen, musst du es so machen, wie sie es wünschen."

Früher sei das öfters vorgekommen, weil sie mit den ewigen Diskussionen gehadert habe und dem nachträglichen Wieder-in-Frage-stellen von Entscheidungen, die eigentlich schon gefällt waren. "Sie war das nicht gewöhnt", erklärt er. Denn als Kulturmanagerin habe sie gesagt, wo es lang gehe. Da habe niemand widersprochen. In der Demokratie ist das anders, zudem musste sie sich erst an die langen Wege der Verwaltung gewöhnen. Inzwischen rege sich seine Frau aber nur noch selten auf. "Wir reden jetzt nur noch wenig über Politik. Es gibt ja auch andere Sachen."

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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