Krailling:Der Poker ums Tanklager

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Hinter dem Zaun befinden sich Gleise, Abfüllstationen und riesige Tanks, aber auch eine Waldfläche, die von der Öffentlichkeit abgeschirmt war. (Foto: Georgine Treybal)

Ein Vorkaufsrecht soll der Gemeinde bessere Chancen im Bieterwettbewerb verschaffen. Bürgermeisterin Christine Borst will die Fläche teilweise für die Öffentlichkeit zugänglich machen

Von Michael Berzl, Krailling

Im Bieterwettbewerb um das Tanklager im Kreuzlinger Forst will sich die Gemeinde Krailling bessere Chancen verschaffen. Einstimmig hat der Gemeinderat beschlossen, sich per Satzung ein Vorkaufsrecht zu sichern. Unklar ist aber, wie wirksam dieses rechtliche Instrument in einem laufenden Insolvenzverfahren ist. Bürgermeisterin Christine Borst hofft jedenfalls, Teile des riesigen Geländes zwischen Krailling und Germering eines Tages der Öffentlichkeit zugänglich und "erlebbar" zu machen, wie sie in einem Interview sagte.

Diese Bedingungen sind außergewöhnlich: Ein 230 Hektar großes Waldgebiet ganz in der Nähe von München, das komplett verschont geblieben ist von Ausflüglern. Hier hetzen keine Jogger über die Forstwege, keine Mountainbiker sind hier anzutreffen, hier streifen keine Schwammerlsucher durch das Unterholz. Stattdessen weidet dort ungestört eine Mufflon-Herde. Biotope sind dort entstanden, Fauna und Flora sind weitgehend sich selbst überlassen, nur Beamte des Bundesforstes kümmern sich um den Wald zwischen Krailling und Germering. Ein abgeschottetes Areal, und das seit mehr als 70 Jahren. Die Gemeinde Krailling würde nun gerne den Schlüssel zum Haupttor in die Hand bekommen.

Das Tanklager im Kreuzlinger Forst entstand in den 1940er-Jahren. Ein sieben Kilometer langer Zaun umgibt heute diese Fläche. Die Gemeinde möchte sich Zutritt verschaffen und hat daher im Zuge eines Insolvenzverfahrens vor einigen Wochen ein Kaufangebot abgegeben. Das bestätigte Bürgermeisterin Christine Borst in einem Interview. Eine Antwort steht noch aus.

Bürgermeisterin Christine Borst könnte sich vorstellen, dass irgendwann der lange Maschendrahtzaun zumindest stellenweise weichen und Teile des über Jahrzehnte abgeschotteten Firmengeländes der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten. So steht das auch in dem Satzungstext, der Details des Vorkaufsrechts regelt. Darin ist zum Beispiel die Rede davon, dass Flächen auf dem Gelände "für die wohnortnahe Naherholung angelegt werden könnten", berichtete Rathaussprecher Alexander Broschell.

Innerhalb des Zaunes ist bisher eine Menge Platz ungenutzt. Das eigentliche Tanklagergelände umfasse nur etwa ein Drittel der Fläche, berichtete vor Jahren die ehemalige Gemeinderätin Maximiliane Mehringer, die einmal an einer Besichtigung teilgenommen hatte. "Der Rest ist nur Wald oder nicht mehr militärisch oder technisch genutzte Lichtungen."

Die Gemeinde gehört zu den Gläubigern in einem vor eineinhalb Jahren eröffneten Konkursverfahren. Die Firma Viktoriagruppe, die das Tanklager seit dem Jahr 2009 betrieben hat, musste beim Amtsgericht in Weilheim Insolvenz anmelden. Seither hat Insolvenzverwalter Mirko Möllen von der Münchner Kanzlei Pluta dort das Sagen. Seine Aufgabe ist es, das Gelände zu Geld zu machen. Zu möglichst viel Geld. Mehrere Kaufinteressenten haben sich bei ihm gemeldet, darunter die Gemeinde Krailling. Wie viele Bewerber mitbieten, will er nicht sagen. Die Frage, wer wann welche Gebote abgibt, unterliege der Vertraulichkeit, betont er. Aktuell dauern die Verhandlungen nach seinen Angaben noch an. Vor einem möglichen Verkauf werde in jedem Fall zunächst der Gläubigerausschuss informiert. Dieses Procedere könnte der Gemeinde Krailling zumindest einen Informationsvorsprung verschaffen, denn als einer der Gläubiger sitzt auch die Gemeinde in diesem Ausschuss.

Das größte Problem bei der Verwertung der Immobilie ist, was mit dem Treibstoff geschieht, der dort gelagert ist. Es handelt sich um Reserven der Tschechischen Republik. Noch verhandelt Möllen mit der staatlichen Rohstoffverwaltung (SSHR), unter welchen Umständen der Sprit abgeholt werden kann. Der Streit um den Sprit ist inzwischen zu einem Politikum geworden; auch Premierminister Bohuslav Sobotka hatte schon bei Bundeskanzlerin Angela Merkel interveniert. Lange Zeit ging nichts voran, die Eigentumsverhältnisse waren umstritten. Nun scheint wieder Bewegung in die verfahrene Situation zu kommen. "In Bezug auf die Dieselproblematik werden aktuell nun wieder konstruktive Gespräche geführt", sagt Insolvenzverwalter Möllen. Ein konkreter Termin zur Abholung des Diesels von tschechischer Seite liege jedoch weiterhin nicht vor.

Die riesigen Spritmengen können in Kesselwagen auf Schienen abtransportiert werden. Dazu sind allerdings erst größere Reparaturen notwendig, denn Gleise und Schwellen sind in einem so schlechten Zustand, dass sie gar nicht genutzt werden können. Die notwendige Sanierung der Gleise hat bisher nicht begonnen. Nach Angaben von Mirko Möllen kennt die SSHR die Gleismängel seit dem vergangenen Jahr. Der Rohstoffverwaltung lägen auch schon konkrete Kostenangebote zur Sanierung vor. Die SSHR habe aber die Übernahme der Sanierungskosten bis Ende des vergangenen Jahres nicht zugesagt. Deshalb konnte die Sanierung nicht in Auftrag gegeben werden. Somit sind dort noch einige Aufgaben zu erledigen.

"Mit dem Treibstoff werden wir das sicher nicht kaufen", erklärt Bürgermeisterin Borst. Auch nach einem Verkauf an die Gemeinde würde das Tanklager weiter betrieben, erklärte sie und sagte: "Uns geht es um die Fläche." Der Kauf, so ist Borst zu verstehen, wäre eine Investition, die sich noch für die nächsten Generationen auszahlen würde. Für sie ist das ein langfristiges Projekt mit Perspektiven für die nächsten Jahrzehnte. Die Möglichkeit, an diese Flächen zu kommen, gibt es vielleicht so bald nicht wieder.

Das Gebiet erstreckt sich westlich der Neuen Gautinger Straße von der Pentenrieder Straße und dem Kraillinger Gewerbegebiet bis hinüber zur Lindauer Autobahn, wo sie an Germering vorbei führt. Es fällt kaum auf, dass sich mitten im Fichtenwald das riesige Treibstoffdepot befindet. Tanks mit einem Gesamtvolumen von 120 000 Kubikmetern sind dort vergraben, etwa elf Kilometer Gleise und neun Kilometer Rohrleitungen sind dort verlegt. Es gibt Ladestationen, Weichen, Werkstätten und Verwaltungsgebäude. Und einige Hektar Fichtenwald, den lange Zeit fast niemand betreten hat.

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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