Krailling:Der Allesmacher

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Udo Schindler ist nicht nur ein angesehener Architekt, er ist auch ein erfolgreicher Musiker. Sein "Salon für Klang und Kunst" ist überregionaler Treffpunkt für Liebhaber der Ad-hoc-Improvisation.

Reinhard Palmer

Ein Leben zwischen Bühne und Bauplänen: Udo Schindler ist ein kreativer und umtriebiger Mensch, er meint, ein Architekt müsse "auch andere Dinge machen". Foto: Fuchs (Foto: STA Franz X. Fuchs)

KraillingManche Menschen kennen den Begriff "Langeweile" nur vom Hörensagen. Der in Krailling lebende Udo Schindler ist einer von ihnen. Obgleich er als angesehener Architekt und erfolgreicher Improvisationsmusiker ausgelastet ist, sind seine Interessensgebiete damit noch lange nicht abgedeckt. Zu Beginn seiner Berufstätigkeit versuchte er, sie alle anzugehen, arbeitete nebenbei journalistisch, schrieb Gedichte, die in Anthologien erschienen, schuf Theaterstücke und mischte in der Münchner Performance-Szene mit. "Das wurde mir zu viel", bedauert er. So forcierte er die Architektenlaufbahn, die ihm finanziell ermöglicht, zumindest seine Leidenschaft für Musik auszuleben.

Doch auch wenn er heute in seinem Architekturbüro in Planegg davon ein so klares Bild zeichnet, war der Weg dahin alles andere als geradlinig. Als überschäumend kreativen Menschen hielt es den gebürtigen Zirndorfer an der Realschule nicht bis zum Abschluss. Gerne wäre er Fotograf geworden, doch schreckte ihn der Einblick in die allzu sachliche Arbeit eines Werbefotografen davon ab. Er absolvierte daher eine Lehre als Zimmerer, dann als Bauzeichner. "Bau ist schön, mir aber zu wenig", merkte er bald, holte das Abitur nach, um Architektur zu studieren. Als Jazz- und Rockmusiker seit Jahren an diversen Instrumenten in Bands aktiv, wollte er aber auch daraus mehr machen. Parallel zum Architektur-Studium studierte er also am Nürnberger Konservatorium Querflöte - "eine Kompromisslösung" anstelle vom Saxofon, das dort kein spannendes Studium versprach. So begann jedenfalls sein Doppelleben in Balance zwischen "Knochenjob" und freier Entfaltung. "Sie befruchten sich gegenseitig", betont Schindler. "Ein Architekt muss auch andere Dinge machen." Soziale Kompetenz in der Findung einer Kommunikationsbasis im gemeinsamen Tun etwa könne wohl nirgends besser als in einer musikalischen Improvisation im Ensemble erprobt werden.

Die Bewährungsprobe als Architekt bestand Udo Schindler mit Bravour, gewann einige Wettbewerbe und konnte gleich im Anschluss ans Diplom 1980 eigene Projekte in Kooperation realisieren. Sein erstes eigenes Büro gründete er 32-jährig bereits 1984. Seine kreative Erfindungskraft beschränkt sich allerdings keinesfalls auf gestalterische Belange. "Wichtig ist mir auch die energetische und ökologische Betrachtung" - die baubiologische Verträglichkeit, Weitsicht in der Nutzung und Langlebigkeit also. Die Basis der Arbeit im Planegger Büro seien daher Umbauten und Instandsetzung. Für Neubauprojekte im großen Stil unterhält Schindler zusammen mit Walter Hable indes in München ein zweites Büro, das bereits seit 2009 am Projekt wagnisART, einem genossenschaftlichen Wohnbau mit fünf fünfstöckigen, skulpturalen Gebäuden im brückenverbundenen Ensemble mit etwa 14 000 Quadratmetern Geschossfläche arbeitet. Auf dem Gelände des einstigen Kreativquartiers in der Domagkstraße entsteht - begleitet von Workshops mit den künftigen Bewohnern - ein experimentelles Pilotprojekt mit flexibel gestaltbaren Wohneinheiten: vom Appartement bis zur 5-Zimmer-Familienwohnung, neben Clusterwohnungen, Ateliers, Ausstellungs- und Gewerbeflächen, Gemeinschaftsräumen, Dachgärten, Werkstätten oder Praxen.

Orte für Begegnung zu schaffen ist aber auch sonst für Udo Schindler ein wichtiges Ziel. Mit Begeisterung stürzte er sich denn auch auf die Aufgabe, den Gautinger Bahnhofsplatz mit einem flexiblen Kino- und Begegnungskomplex zu neuem Leben zu erwecken. Ein Projekt, das leider ins Stocken geraten ist. Zügig indes ging es mit seinem eigenen Wohnhaus, in dem er den mittlerweile international bekannten "Salon für Klang und Kunst" betreibt. Mit einem Flügel ausgestattet, ist das eigens dafür konzipierte Studio zum überregionalen Treffpunkt für Liebhaber der Ad-hoc-Improvisation geworden, einer Gattung zwischen Neuer Musik und Jazz, die schon Ende der 1970er Jahre als Antwort auf die Amerikanisierung der Musik in Europa entstanden war und mit allen Regeln der spieltechnischen Anwendung der Instrumente gebrochen hatte. Die einst bewunderten Musiker der internationalen Szene seien heute seine Bühnenpartner auf Augenhöhe, freut sich der passionierte Musiker. Die CD-Sammlung mit Mitschnitten kann sich auch sehen lassen und findet vor allem in den USA Beachtung.

Außer zu diversen Flöten, Klarinetten und Saxofonen greift Schindler neuerdings auch zum Kornett, das ihm viele rhetorische Möglichkeiten an die Hand gibt, nicht nur zu erzählen, sondern auch mit kuriosen Klangbildungen fremdartige Stimmungen zu erzeugen. "Ein paar Bauherren kommen regelmäßig zu Konzerten", sagt er. Das freut ihn besonders, denn seine Architektur ist von der Musik nicht zu trennen - mit der sinnlichen Erfahrung der Materialien und Oberflächen beginnend. Seine Lebensgefährtin, die Bühnenbildnerin Manuela Müller, steht ihm dabei farbberatend zur Seite. "Ein Raum wird auch durch die Akustik definiert", führt er weiter aus. Und während Musik vergänglich sei und Lyrik ihre Botschaft im Nichtformulierten offenbart, gehe es bei der Architektur um eine haptische Tatsache, die nur wenig Raum für Interpretationen biete. So bleiben im Sinne eines ganzheitlichen Verständnisses für Schindler die Künste untrennbar voneinander.

© SZ vom 29.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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