Krailling:Das Leben ist schön

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Die Spurensuche im Kraillinger Salon für Klang und Kunst

Von Reinhard Palmer, Krailling

Instrument und Stimme sind auch in der spontan improvisierten Musik ein bewährtes Paar. Multiinstrumentalist Udo Schindler hatte in seinem Kraillinger Salon für Klang und Kunst bereits Künstler aus dem vokalen Fach zu Gast. Der musikalische Aspekt der gesprochenen Sprache ist heute kein neues Thema mehr. Rhythmus, Melodie, Struktur: Das sind auch ihre Gestaltungselemente. Komplexer wird es, wenn die Ebene der Inhalte und Bedeutungen hinzukommt, wie sie die Performance-Künstlerin Ruth Geiersberger in ihren "Verrichtungen" einbezieht.

Die Zuhörer müssen sich einerseits intuitiv dem musikalischen Element hingeben, andererseits den Assoziationsketten eine Art abstrakte Imagination leihen. Irgendwo im Raum treffen die Erlebniswelten aufeinander und verwirren etwas mit Verbindungen des scheinbar Unvereinbaren. Eine Spurensuche ist es im Grunde immer. Aber diesmal ging es auch um die Künstlergruppe Spur, die in ihrem Manifest die Erneuerung der bildenden Kunst heraufbeschwor: "Kunst ist ein dröhnender Gongschlag". Ein Gemälde Helmut Sturms aus Schindlers Sammlung wachte übers Bühnengeschehen. Wobei Bühne für Geiersberger nicht begrenzt ist, gehören doch auch Bewegung im Raum Perspektivwechsel zum Ausdrucksspektrum.

Für Udo Schindler, der in Vorahnung ein Set aus Euphonium, Sopraninosaxophon, Kontrabass- und Bassklarinette sowie Akkordeon aufgebaut hatte, eine Herausforderung, mit Geräuschen und Klängen auch auf der inhaltlichen Ebene musikalische Verbindungen zu schaffen. Zumal kraftvolle dadaistische Schwitters-Worte Wucht verlangten, unvermittelt kontrastiert mit "Wann i a Vöglein war" vom Diktafon, live umjodelt zu den Klängen des Geiersbergerschen Miniakkordeons. Was sonst noch zueinander fand: ein eindringliches Euphonium zu Kurt Bennings "Ein deutsches Erbe" mit rasanter Inventaraufzählung. "Wem gehören die Augen, die da betrachten?", fragte Italo Calvino.

Außerdem: "Tiger kriegt Durchfall" zu schriller Bassklarinette, denn es sind Tiger, die aussehen wie Hasen. Für Yoko Ogawas Stück "Schwimmbad im Regen" liefert das Sopranino Knutschtöne, ein Klappern, Blasen und Säuseln. Geiersberger schließt sich an, schlürft, winselt, schnalzt mit der Zunge. "Ich liebe alles, was das Wort tun kann", gestand sie zu Beginn und hielt auch Wort. "Das Leben ist schön". "Passt scho".

© SZ vom 07.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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