Kraillinger Kult-Art-Festival:Bayern, dreh dich!

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Beim Kabarettabend im Festzelt gibt ein Christian Springer in Hochform wunderbare Tipps zur Energiewende. Und Wolfgang Krebs überzeugt einmal mehr als radebrechender Stoiber

Von Gerhard Summer, Krailling

Glückliches Krailling, alle sind da. Der Seehofer ist gekommen, der Söder auch, der Stoiber sowieso. Inge Meysel schaut kurz vorbei, genauso wie Kohl und Genscher. Und irgendwie ist auch die "Kandisbrunzlerin" zugegen. Also die Dings, die Kanzlerfrau, diese: Merkel. Und die "untere sprechende Zahnreihe", der Bundespräsidenten-Darsteller Gauck.

Sagt Stoiber. Natürlich nicht der echte Stoiber. Denn der echte Stoiber war nie so witzig und gemein wie der sich ständig verheddernde Stoiber, den Wolfgang Krebs aufmarschieren und keinen einzigen geraden Satz mehr rauskriegen lässt. Im Gegenteil, Stoiber-Reden konnten sich stundenlang dahindrehen wie ein Windradl, und am Ende kam nur heiße Luft raus. Christine Borst steht ebenfalls auf der Bühne im luftigen Festzelt, die wirkliche Borst, die Oberbürgermeisterin von der CSU-CSU, wie der auch als Conférencier wirkende Krebs das nennt. Krailling ist nämlich nicht nur der "schönste Ort auf der ganzen Welt und darüber hinaus", sondern auch der einzige weit und breit, wo ungestört die CSU, also die CSU-CSU, regieren darf. Und das ist schon was Schönes, oder?

Kraillinger Kult-Art, der Kabarettabend. Mehr als 1000 Zuhörer sind da, laut Borst so viele wie noch nie. Angefangen habe man vor eineinhalb Jahrzehnten noch mit 300 Leuten. Der Aufwand ist wie in den Vorjahren groß: vier Kabarettisten, dazu noch der wiederauferstandene Bairisch Diatonische Jodelwahnsinn. So ein "Best-of" geht ins Geld. Wobei es noch ein Glück ist, dass Krebs-Krebs nicht für jede seiner Rollen einzeln bezahlt werden muss. Womöglich hätte sich die Festivalleitung aber auch zwei Protagonisten sparen können: Constanze Lindner ist eine tolle Schauspielerin, aber sie gibt vorwiegend klamaukig Doofe. Einzig ihre waldschratige Cordula mit grüner Mütze, Hasenzähnen und Quietschestimme, die einen Herrn Bauer anhimmelt, hat Witz und Kraft. Der Jodelwahnsinn wiederum konserviert gern alte Sprüche und die Nummer mit der singenden Säge. Einmal holt Otto Göttler arme Senioren auf die Bühne, die mit Plastiktüten rascheln müssen, von der Begleitung ist am Ende aber rein gar nichts zu hören. Das alles bleibt brav und nur unterhaltsam.

Helmut A. Binser alias Martin Schönberger aus der Oberpfalz ist ein anderes Kaliber. Gerade seine Lieder in Fredl-Fesl-Manier haben es in sich. "Wir san die greislichen Menschen dieser Welt" singt er und pfeift hübsch falsch dazu. Weil das Publikum mitmacht, ergibt das ein wunderbar schiefes Echo aus der Zeltmitte. Wolfgang Krebs ist auch als Schlagersänger Mackie Montana eine Wucht, aber am besten ist er als Stoiber. "Meine sehr gescherten Damen und Damen", sagt er und andere verdrehten Sachen, die schon ihre Richtigkeit haben. Und Christian Springer? Oh ja, der ist in Hochform. Querbeet durch die Politik geht es mit ihm, vorbei an der Zustimmung zur Homoehe ("Die CSU hat Ja gesagt, aber einer muss a Frau sein"), vorbei an der Geburtstagssause von Landrat Kerkel, der jetzt alles restlos zurückzahlen muss. Alles. Fast alles. Einen hohen Betrag. Na, einen Betrag. Genauer: 3000 Euro. Springer geht einen Schritt vor, einen zurück, macht einen Salto, nein, so sportlich ist er nicht, aber für Pirouetten langt es. Und kommt beim St. Windradltag raus.

So wird jetzt in Bayern die lahmende Energiewende vorangetrieben: mit einem guten katholischen Feiertag zu Ehren des natürlich erfundenen Märtyrers Windradl. Springer malt die Geschichte immer mehr in Leuchtfarben aus, am Ende sieht man es vor sich: Wie am 1. November in jedes bayerische Dorf ein Windradl gelegt wird, als wär's ein Maibaum. Wie die blitzsauberen Burschen und Madln bereitstehen. Wie Seehofer die Aigner mit dem Dirndl auf einem der Rotorblätter festzurrt. Und ihr, als das Windradl steht und sich zu drehen beginnt, von unten zuruft: "Na, g'fallts dir, Ilse, deine Energiewende?"

Ja, die Realität ist manchmal irrwitzig, lehrt Springer, deshalb schadet es nichts, wenn der Irrwitz ganz real ist. Am Ende spricht Seehofer: "Ogstromt is". Glückliches Bayern, dreh dich!

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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