Konzertabend:Martyrien der Liebe

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Einen Konzertabend vom Feinsten bieten das Fauré-Quartett und die Sopranistin Annette Dasch den Besuchern des Gautinger Bosco. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Sopranistin Annette Dasch und das Fauré Quartett begeistern das Publikum im Gautinger Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Sie kam, sah - und staunte, zunächst einmal dazu genötigt, im rotleuchtenden Kleid als Farbtupfen zwischen den Kammermusikern auf der Gautinger Bosco-Bühne allein mit ihrer Erscheinung und Bühnenpräsenz zu brillieren. Annette Dasch (Sopran) schien zu faszinieren, mit welcher Hingabe und Inbrunst die Kollegin und Kollegen vom Fauré Quartett Brahmsens hochdramatischen Kopfsatz des c-Moll-Klavierquartetts op. 60 unter Spannung setzten. Die konnte nicht explosiv genug sein, verglich doch Brahms selbst den Zustand, in dem er sich beim Komponieren des Satzes befand, mit der ausweglosen Lage von Goethes Werther, der sich ja das Leben nahm. Brahms brauchte 20 Jahre, um die Zerrissenheit zwischen der Verehrung Robert Schumanns und der Liebe zu dessen Frau Clara zu verarbeiten, doch offenbar niemals zu überwinden, wie es das tragische Ende des Quartetts verheißt. Vielleicht war es dann doch gut, dass die aufs Gemüt drückenden Sätze des Quartetts im Sinne einer Wiener Hausmusik des 19. Jahrhunderts nicht nacheinander gespielt wurden. So konnte Dasch mit ihrem warmen und plastisch weich geformten Timbre dazwischen etwas versöhnlicher stimmen. Zumindest mit den Mahler-Vertonungen von Volksgedichten aus "Des Knaben Wunderhorn". Das Volkstümliche ist für Mahlers Musik ein bestimmender Faktor und kam hier auch nicht zu kurz. Von den Interpreten sachte musikantisch in Bewegung gebracht, streuten diese Momente verhaltene Heiterkeit in die vorherrschende Schwermut.

Dass Mahler seine Lieder symphonisch dachte und auch orchestrierte, war für das kleine Ensemble schon eine Herausforderung, die es aber nicht zuletzt dank der Klangfarben und Atmosphäre fokussierenden Arrangements von Dietrich Zöllner mit viel Fingerspitzengefühl meisterte. Die nötige Steilvorlage für Dasch, ihre weiten Phrasen darüber nahezu schwebend auszudehnen, wie es Mahlers einzigartige Stilistik verlangt. In Anbetracht der trockenen Akustik im Saal war es schon eine enorme Leistung, die nötige Fülle bis in die leisen Passagen aufrecht zu erhalten. Mahlers Lieder haben schon etwas Magisches, was sich auch zunehmend der Interpretationen bemächtigte. Dieser Atmosphäre konnte sich auch Brahmsens Andante nahtlos einfügen. Mit seinem dunklen, wehmütigen Gesang in meist tiefen Lagen, aber auch im herrlichen Dialog mit der Violine sollten es die einzigen versöhnlichen Töne sein, zu denen Brahms in seinem Unglück in der Lage war. Schon das Scherzo hatte nichts Erheiterndes an sich und bekam vom Ensemble auch die adäquate vibrierende Nervosität auf den Weg. Wer sich im Finale eine Auflösung der Tragik erhoffte, wurde wohl enttäuscht: Brahms war es nicht nach Zuversicht. Das Fauré Quartett verstand auch hier dem Befremden des Misanthropen Ausdruck zu verleihen.

Auch Mahler durchlebte sein Liebesmartyrium: Mit der angebeteten Kassler Theatersängerin Johanna Richter, die seien Gefühle allerdings nicht erwiderte. "Lieder eines fahrenden Gesellen" nannte Mahler den selbst gedichteten und vertonten Zyklus, in dem er seiner gescheiterten Liebe Ausdruck verlieh. "Wenn mein Schatz Hochzeit macht" sang Dasch als einziges Lied daraus, zwar Volkstümlich farbenreich, aber doch entsprechend schweren Gemüts.

In diesem nicht gar so vergnügten Reigen Richard Wagner vorzufinden, überraschte nicht unbedingt. Seine Liebe zu Mathilde Wesendonck - eine von vielen - scheiterte nur nicht an der Geliebten, sondern an der gerade amtierenden Ehefrau Minna, was Wagner allerdings nicht minder tragisch empfunden haben dürfte. Für die Interpretation seiner Wesendonck-Lieder sollte es aber keine Rolle spielen, entstanden sie doch noch auf dem Höhepunkt dieser wohl rein platonischen Verbindung. Dasch und das Fauré Quartett interessierte darin daher vielmehr die Tristan-Atmosphäre, an der Wagner seinerzeit elaborierte, sowie die ebenso symphonische Auffassung, die Wagner zum Vorläufer Mahlers mit seiner gedehnten Weite und seinem schwebenden Gesangspart macht. Die von Wagner als Vorstudien zu "Tristan und Isolde" bezeichneten Lieder "Im Treibhaus" und "Träume" unterschieden sich besonders durch die geheimnisvoll-legendenhafte Atmosphäre von den restlichen drei Liedern, die mit ihrer blühenden Farbigkeit schon diesseitiger wirkten. Begeisterter Schlussapplaus.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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