Konzert in Gauting:Zwischen Idylle und Grausamkeit

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Mutig: Florian Donderer, Annette Walther, Thomas Schmitz und Xandi van Dijk (von links) wagen sich an Jörg Widmanns zeitgenössisches Jagdquartett. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Signum Quartett brilliert im Bosco mit zwei kontrastierenden Jagdquartetten

Von Reinhard Palmer, Gauting

Nicht alle Traditionen sind gut und erhaltenswert. Die Jagd etwa kann auch negativ bewertet werden - schließlich geht es dabei um grausames Töten. Doch vor allem der historische, verklärt-romantisierende Blick auf dieses zweifelhafte Vergnügen hat in der Musik Spuren hinterlassen: in erster Linie als Jagdhornmotive oder beschwingtes Galoppieren. Zeitgenössische Komponisten sehen das Genre hingegen kritischer. Das "Jagdquartett" von Jörg Widmann aus dem Jahr 2003 ist schon ein grausam-beklemmendes Werk, sofern es so mutig und konsequent interpretiert wird, wie es das Signum Quartett Mittwochabend im Gautinger Bosco tat.

So heiter und anmutig das Stück auch begann, schon bald fuhren düstere Disharmonien in die Idylle hinein, um den fröhlichen Ritt in ein mörderisches Szenario zu verwandeln, in dem bedroht, gehetzt, bedrängt, gequält wurde. Aber Widmann ist kein Fatalist. Er lässt sich es nicht nehmen, diese Gegenüberstellung von traditioneller Jagdmusik und szenischer Realistik ins Ironische umzuleiten. Das Signum Quartett verstand es großartig, diese Gratwanderung zwischen Satire und beängstigender Schärfe in eine schlüssige Dramaturgie zu packen. Was allerdings nur funktionierte, weil die Musiker den Text mit allen Details so verinnerlicht haben, dass selbst die halsbrecherischsten Metren und verzwicktesten Einsätze mit selbstverständlicher Leichtigkeit vonstatten gingen. Dieses extrem knifflige Werk so in seinem Gesamtkontext zu erfassen, war schon eine enorme Leistung, die sich für den Ausdruck als zuträglich erwies.

Das alles wirkte im Bosco umso stärker und frappierender, weil die Musiker zuvor noch mit feinster Differenzierung und Schönfarbigkeit begeistert hatten. Auch Mozart verwendete in seinen Werken gern Jagdmotive als Mittel bewegter Vergnüglichkeit, wie im B-Dur-Quartett KV 458, das daher bald den Beinamen "Jagdquartett" erhielt. Florian Donderer (1. Violine), Annette Walther (2. Violine), Xandi van Dijk (Viola) und Thomas Schmitz (Violoncello) bilden ein sehr agiles Ensemble, das treffsicher die Charakteristik des jeweiligen Werkes erfasst. Und geschieht beim preisgekrönten Signum Quartett mit kompromissloser Perfektion, auch in Hinsicht auf Stilistik und Spezifika des jeweiligen Komponisten. Das minutiöse Austarieren der Dramaturgie des Werks bewegte sich bei Mozart zwar auf einem recht begrenzten Raum, es erfuhr allerdings trotzdem eine reiche und klare Nuancierung. Das Changieren zwischen blühender Vergnüglichkeit mit Schönmelodik und melancholischen Verdunkelungen zog sich in den Bereich feinster Nuancen zurück.

Dieser Zugriff, der die besondere Charakteristik mozart'scher Musik zielsicher erfasste, sollte noch für Superlative sorgen: Das Klarinettenquintett A-Dur KV 581, ein späteres Werk, gehört zweifelsohne zu den schönsten Schöpfungen des Salzburgers. Das Ensemble stellte sich gewandt auf den warmen Klang der Klarinette um, sodass Daniel Ottensamer mit höchster Einfühlsamkeit seinen Part einfließen lassen konnte. Alle fünf Musiker nahmen sich in der Lautstärke weit zurück, was die forcierten Spitzen umging. So konnte sich das Werk in einem betörend schönen Kolorit entfalten: allem voran das melodiöse Larghetto, aber auch die langsamen Variationen des Schlusssatzes. Kein anderer Komponist verstand es jemals so schönmusikalisch, die Klarinette in den lyrischen Registern einzusetzen. Dankbar griff Ottensamer Mozarts Steilvorlage auf und verzauberte sie in seltener Zartheit. Umso mehr Raum gewann das Ensemble für die beschwingten Sätze und Passagen, in denen Mozart geschickt auf folkloristische Elemente zurückgreift - insbesondere mit dem filigranen Ländler im Trio des Menuetto, der nach lang anhaltendem, begeistertem Applaus ein zweites Mal in der Zugabe erklang und das Publikum erneut erheitern sollte.

© SZ vom 20.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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